Dieses Jahr war ein emotionales Jahr für mich, mit vielen Tränen. Es waren Tränen der Trauer, aber auch der Freude. Es war ein Jahr, in dem ich so manches loslassen musste. Aber dieses Jahr hat auch Neues und sehr Schönes gebracht. In meinem Jahresrückblick nehme ich euch mit durch mein und auch Mamas Jahr. Das war 2022.

Mein Jahresrückblick 2022: Was hatte ich mir vorgenommen und was wurde daraus?
Im Jahresrückblick 2021 habe ich einige Dinge aufgeschrieben, die ich mir für dieses Jahr 2022 vorgenommen hatte. Da waren viele Wünsche, Hoffnungen und Erwartungen dabei. Hier verrate ich euch, wie es gelaufen ist (natürlich nicht so wie geplant):
- mich um mein neues Buchprojekt kümmern: Jaaa! Ich habe in diesem Jahr wieder ein Buch geschrieben, seit ein paar Wochen ist es erhältlich. Mein Ratgeber “Demenz. Verstehen und Achtsam Begleiten” (Wort & Bild Verlag) erreicht hoffentlich viele Angehörige von Menschen mit Demenz und kann ihnen helfen. Als ich im vergangenen Jahr allerdings von meinem Buchprojekt schrieb, hatte ich ein anderes im Kopf – und das wartet noch in der Schublade 😉
- mehr Klarheit für mich und meinen Weg finden: Nun ja… Ich habe tolle journalistische Projekte gemacht, gemerkt, wie sehr ich das Schreiben und Vorlesen mag und dass es mir wichtig ist, das Thema Demenz in die Öffentlichkeit zu tragen. Wie genau, das werde ich 2023 weiter herausfinden.
- mehr auf mich und meine Bedürfnisse achten: Puh, schwierig. Ich habe mich viel um andere Menschen gekümmert und war wirklich viel gestresst und traurig. Aber: Ich habe mir Hilfe gesucht und auch sonst tolle Menschen getroffen, die mir auf meinem eigenen Weg helfen.
- das Demenz Meet in München: Nein, leider hat das 2022 nicht geklappt. Aber wir haben es “nur” verschoben. Die Planungen für das Demenz Meet München sind in vollem Gang. Am 13. Mai 2023 findet es statt und wird toll!
- mich beruflich weiter vorwärts bringen: Ich habe mich im Sommer bei der Hamburg Media School beworben, genau um das zu tun – und wurde für das Journalism Innovation Program angenommen. Und nun kümmere ich mich verstärkt um meinen Blog und arbeite an neuen Ideen.
- mit meinen Eltern darüber Klarheit finden, welche Lösung sie sich wünschen: Wir haben viele Diskussionen geführt, sie haben Dinge ausprobiert und wieder verworfen. Es gibt noch immer nicht den einen klaren Plan, aber wir sind ein Stückchen weiter, und das ist okay so.
- mit meinen Kindern nach Afrika reisen: Ich wollte so gerne nach Namibia. Nun ja, wir waren nicht dort, eigentlich habe ich mit den Kindern gar keine Reise gemacht. Wir waren viel an Seen und für längere Zeit bei meinen Eltern. Das war schön, aber das Fernweh bleibt.
- endlich wieder vor Publikum aus meinem Buch vorlesen: JA! Das hat geklappt. Es waren schöne Lesungen, digital und in Präsenz, mit tollem und interessiertem Publikum und schönen Gesprächen.
Mein Jahresrückblick 2022
Ein Film entsteht über Mama und mich
Bereits im Sommer 2021 hatten wir Besuch von einem kleinen Filmteam, von Roxana und Daniel. Sie planten eine Dokumentation über das Vergessen und Erinnern und wollten einen Tag mit meiner Familie und mir verbringen. Ende 2021 kam Roxana dann erneut auf mich zu und erzählte, dass sie den Film über Demenz gerne mit dem Fokus auf Mütter und Töchter machen möchte und sie uns gerne noch einmal zum Drehen besuchen würden. Ich habe mich darüber gefreut, weil die ersten Dreharbeiten sehr angenehm waren und die beiden einen unaufgeregten und ehrlichen Film über Demenz drehen wollten. Außerdem hatten sich Mama und Papa sehr wohl gefühlt mit dem Team.
Und doch war ich mir unsicher. Würde Mama die Drehtage wieder so gut finden? Seit dem Sommer 2021 ist sie viel ruhiger geworden, braucht noch mehr Unterstützung und Pflege und vor allem viel mehr Pausen. Ich sprach mit meinem Papa, ob das Drehen zu viel werden würde und ich lieber absagen sollte. Aber irgendwie waren wir uns auch einig: Wenn ein Filmteam, dann mit diesen beiden. Denn sie kamen nicht mit einem starren Konzept, sondern haben sich komplett auf Mamas Alltag und Bedürfnisse eingerichtet.



Es waren schöne, teils sehr emotionale Dreharbeiten. Ich habe aus meinen Briefen an Mama vorgelesen und davon erzählt, wie sehr ich sie manchmal vermisse und warum es mir so wichtig ist, über das Thema Demenz zu sprechen. Ich erinnere mich an eine Aufnahme: Roxana interviewte mich und Mama saß auf der Couch, scheinbar schlafend. Irgendwann erzählte ich von meiner Angst, dass sie irgendwann nicht mehr da ist und wie froh ich bin, dass ich noch Zeit mit ihr verbringen darf. Und Mama saß auf der Couch und die Tränen liefen über ihre Wangen. Das hat mir mal wieder gezeigt, dass da noch so viel mehr ist und meine Mama so viel mehr mitbekommt, als es nach außen hin scheint.
Der Film „Demenz: Der lange Abschied. Zwei Mütter und ihre Töchter“ wurde im April erstmals ausgestrahlt. Im Mai gab es eine Filmvorführung mit Autorinnengespräch in Leipzig – sehr berührend und bewegend. Danke für diesen Film, liebe Roxana und lieber Daniel!
Vom Krieg und Frieden
Das Thema Krieg war für mich immer weit weg. Auch, wenn es heutzutage leider Kriegsschauplätze auf der ganzen Welt gibt, so hatte das Thema Krieg für mich etwas Historisches. Krieg, das war für mich das, was meinem Papa die Familie und Heimat genommen hat und ihn sein ganzes Leben lang beschäftigt. Anfang diesen Jahres änderte sich das, als Russland der Ukraine den Krieg erklärte. Ehrlich gesagt hat mich das anfangs sprachlos gemacht, und ich konnte nicht verstehen (und kann es immer noch nicht), warum eine kriegerische Auseinandersetzung sein muss (und dabei so viele Menschen sterben).
Wir waren im Februar länger bei meinen Eltern – und der Fernseher lief ziemlich oft, weil Papa und ich ein großes Informationsbedürfnis hatten. Wir wollten wissen, was passiert. Ich wollte meinen Kindern Antworten auf ihre Fragen geben. Sie machten sich Sorgen und ich versuchte zu erklären, was ich erklären kann. Meine Mama saß beim Fernsehen meist daneben – und ich war unsicher, was sie mitbekam. Machte ihr der Krieg Angst? Wie könnte ich auf mögliche Sorgen eingehen, wie könnte ich sie überhaupt erkennen?
Wir fanden einen Weg, schalteten den Fernseher häufiger aus, gingen mehr nach draußen in die Natur. MIt den Kindern ging ich spazieren, mit Mama genoss ich die Frühlingssonne im Garten.

Meine große Tochter startete eine kleine Spendenaktion, weil sie die Kinder in und aus der Ukraine gerne unterstützen wollte. Sie malte Karten und verkaufte sie, an Verwandte und Bekannte, auf dem Flohmarkt und baute ihren kleinen Stand auf dem Fußweg auf. Es ist schön zu sehen, welch soziales Bewusstsein und der Wunsch, anderen zu helfen, meine nun schon 14-Jährige antreibt. Ich bin mir sicher, wenn meine Mama das so mitbekommen würde, wäre sie sehr stolz auf ihre Enkeltochter.

Kleine Freuden im Alltag
Das Jahr hatte ein wenig deprimiert begonnen, mit dem Krieg und immer wieder hohen Coronazahlen. Ich fuhr häufig zu meinen Eltern, versuchte für sie da zu sein. Und daheim in München wollte ich für meine Kinder so gut es geht da sein, aber mir fehlte die innere Ruhe. Erschöpft und traurig – das war ich doch recht häufig, weil mich sehr viele offene Themen beschäftigten.
Ich begann wieder mehr für mich zu schreiben. Jeden Abend versuche ich drei Glücksmomente in meinem Tagebuch festzuhalten. Es ist eine einfache Achtsamkeitsübung und sie hilft mir seither sehr. Selbst an Tagen, die extrem anstrengend sind oder an denen ich traurig bin, bemühe ich mich, drei Glücksmomente zu finden. Mit den Kindern draußen am Bach spielen oder sehen, wie sie neben Mama gehen, das sind definitiv kleine Glücksmomente.



Was mir genauso geholfen hat: wieder mehr laufen und gehen. Wenn ich jogge oder durch den Park spaziere, dann komme ich zu mir und kann Gedanken und Gefühle sortieren. Das war schon immer so und ich erinnere mich, dass ich genau das mal in einem Brief an Mama geschrieben habe (“Liebe Mama, vermisst du das Laufen?”). Denn auch sie war gerne laufend in der Natur unterwegs.

Ich schreibe und schreibe, auch ein neues Buch
Im Mai 2021 bin ich in die Selbstständigkeit gestartet, mit dem Wunsch, wieder mehr zu schreiben und mich mehr dem Thema Demenz zu widmen. Bislang hat das ganz gut funktioniert und Anfang des Jahres wurde ich angefragt, einen Ratgeber für Angehörige über das Thema Demenz zu schreiben. Was für eine Freude und natürlich habe ich zugesagt. Und so habe ich im Frühjahr viel Zeit am Schreibtisch und Laptop verbracht. Ich habe recherchiert und gelesen und vor allem geschrieben.
Was mir bei “Demenz. Verstehen und Achtsam Begleiten” (Wort & Bild Verlag) wichtig war: einen Ratgeber zu schreiben, der zwar viele Ratschläge vereint, aber diese vor allem als Angebot sieht. Denn so ist es ja auch, Demenzerkrankungen laufen ganz individuell ab und im Grunde muss jeder Betroffene, jede Familie ihren Weg damit finden. Meinen Ratgeber sehe ich als Wegbegleiter, der Informationen zu vielen Themen rund um Demenz liefert, aber vor allem Mut machen möchte. Denn das ist es, was mir anfangs gefehlt hat. Ich hätte mir mehr gewünscht, dass betont wird, dass viele Menschen mit einer Demenz noch viele Jahre leben und dass man viele Dinge mitgestalten kann.

Eine Bruder-Schwester-Reise
Einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben ist mein Bruder. Früher war er mein Spielgefährte. Er war der Kleine, dem ich Dinge beibringen konnte und der immer zu mir gehalten hat (und ich immer zu ihm). Ich bin dankbar, dass wir ein gutes Team sind, wenn es darum geht, meine Mama und meinen Papa zu unterstützen. Er kümmert sich mindestens so viel wie ich, vermutlich sogar noch mehr.
Wir waren uns in den vergangenen Jahren immer einig, dass wir für Mama und Papa da sein wollen und haben das ganz gut gemeister. Aber der Gesprächsbedarf hat doch zugenommen und es stehen Entcheidungen aus, die nicht so einfach zu fällen sind. Wir wissen, dass meine Eltern so lange wie möglich zu Hause wohnen wollen, aber andererseits ist ihr Haus nicht barrierefrei. Wir haben schon 2021 einiges umgebaut, aber dennoch, Mama braucht immer mehr Unterstützung und natürlich machen wir uns Gedanken, ob ein Umzug in ein Pflegeheim für sie nicht einfacher wäre. Aber wann bespricht man solche Themen? Wir haben es versucht, wenn wir bei meinen Eltern waren, aber da war nie die Ruhe. Wir haben versucht zu telefonieren, aber das sind zu große Themen für ein Telefonat. Irgendwann haben wir beschlossen, dass wir für ein paar Tage zusammen verreisen und uns Zeit nehmen, um zu sprechen. Über meine Eltern und auch über uns, denn in all dem Pflegen und Kümmern sind wir immer ein wenig zu kurz gekommen.

Und so haben wir uns Anfang Juni in Brügge getroffen und hatten drei wirklich schöne Tage. Wir haben die verschiedenen Optionen mal in Ruhe durchdacht und geredet. Das war gut und hat uns als Geschwistern gut getan. Ach, und Brügge war echt toll! Ich habe noch zwei Tage am Meer dran gehängt, weil ich solche Sehnsucht nach Meer hatte. Das war dann wohl fast mein Urlaub in diesem Jahr.

Tolle Themen, tolle Gäste – Weiter geht’s mit dem Podcasten
In diesem Jahr ging es natürlich weiter mit dem Podcast “Leben, Lieben, Pflegen”, den ich zusammen mit Anja Kälin für Desideria Care hoste. Anja und ich hatten tolle Interviewgäste und haben spannende Gespräche geführt. Wir haben darüber gesprochen, wie das Pflegen aus der Ferne gelingen kann, wie man Unterstützung findet, wenn man sich alleine um einen Angehörigen kümmert und wie es gelingt, gemeinsam gut zu pflegen. Der Fotograf Hauke Dressler hat von der Fotoreportage mit seinem Vater erzählt und der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek hat von seinen ganz persönlichen Erfahrungen mit Angehörigen mit Demenz erzählt. Besonders in Erinnerung geblieben sind mir die Interviews mit Sarah Straub und Melanie Liebsch.



Sarah Straub ist ja Sängerin, Liedermacherin und Angehörige. Sie arbeitet an der Gedächtnissprechstunde im Universitätsklinikum Ulm. Wir haben mit ihr in Folge 20 darüber gesprochen, warum es oft so lange dauert, bis Betroffene die Diagnose Demenz bekommen und sie hat erkärt, warum eine differenzierte Diagnose wichtig ist. Sie schafft es, das Thema medizinisch gut zu erklären und gleichzeitig die Sorgen und Gefühle gut zu begleiten.
Melanies Vater erkrankte an frontotemporaler Demenz, als sie zehn Jahre alt war – und in Podcastfolge 25 hat sie Anja und mir von dem langen Weg erzählt, den sie und ihre Familie gegangen ist. Sie hat mit ihren Schilderungen auch Mut gemacht, denn sie hat gesagt, dass sie ihren Vater durch die Erkrankung noch einmal ganz neu kennengelernt hat und zum ersten Mal eine echte Verbindung zu ihm aufbauen konnte (hier findet ihr ihren Gastbeitrag).
Endlich wieder live vorlesen – immer wieder bewegend
2021 hatte ich aufgrund von Corona nur wenige Lesungen und hatte gehofft, dass 2022 viele weitere dazu kommen. Doch zunächst kam Corona und Live-Veranstaltungen fielen aus. Ich habe ein paar Online-Vorträge und Lesungen gegeben und war dann doch jedes Mal erstaunt, wie gut sich Emotionen auch über das Digitale übertragen lassen. Und doch war ich dankbar für die Gelegenheiten in 2022 in Präsenz vor echtem Publikum aus meinem Buch “Mamas Alzheimer und wir” vorzulesen.

Besonders in Erinnerung geblieben ist mir eine Lesung auf einer Fachtagung in der Katholischen Akademie in Regensburg. Ich war ein wenig besorgt, weil ich wusste, dass eigentlich nur Fachkräfte da sind. ‘Was kann ich denen denn erzählen, was sie als Profis über Demenz noch nicht wissen?’, grübelte ich vorab. Würde sie das überhaupt interessieren? Ich war mir unsicher.
Und dann las ich aus den Briefen und Erfahrungsberichten vor. Als ich den letzten Satz beendet hatte, herrschte Stille. Hier und da wischte sich jemand eine Träne aus dem Gesicht und dann bekam ich viel Dank dafür, so offen und ehrlich zu schreiben. Eine Zuhörerin meinte, sie beschäftige sich seit vielen Jahren mit Menschen mit Demenz, aber wie es den Angehörigen dabei geht, gerate im Berufsalltag oft aus dem Blickfeld und sie sei mir dankbar für diese Einsicht. In dem Moment dachte ich daran, dass Mama sich darüber freuen würde, dass sie nun auf diese Weise auch irgendwie dazu beiträgt, anderen Menschen zu helfen.

Wunderschön und bewegend war auch die Lesung zum Welt-Alzheimertag bei der Alzheimer Gesellschaft Berlin. Während und nach der Lesung habe ich viele gute Gespräche geführt. Ein Herr sagte: “Danke, dass Sie in Worte fassen, wie es einem mit der Alzheimererkrankung eines Angehörigen geht. Genauso ist es.” Und ich bekomme Gänsehaut, wenn ich daran denke.
Demenz Meet Zürich – ein Highlight im Sommer
Seit Anfang des Jahres hatte ich mit den Teams von Desideria Care und Wohlbedacht daran gearbeitet, das erste Demenz Meet in München (und in Deutschland) zu organisieren. Leider mussten wir es dann doch auf 2023 verschieben. Um aber noch einmal Demenz Meet-Luft zu schnuppern, bin ich im August nach Zürich gefahren (hier gibt’s einen Rückblick). Das Besondere an den Demenz Meets ist, dass es ein Treffen von Angehörigen, Fachleuten und Interessierten ist, aber die Menschen mit Demenz und ihre Familien immer im Mittelpunkt stehen. Es ist kein Übereinander-Sprechen, sondern ein ehrliches Miteinander.
“Leichte Stunden zu einem schweren Thema” – so das Motto und genauso habe ich es erlebt. Sofia, die auf ihrem Instagram-Kanal über ihre inklusive Wohngemeinschaft mit ihrem Paps schreibt, nannte es auch: ein Klassentreffen. Ja, so ein wenig habe ich mich gefühlt, aber eigentlich noch besser: Ich habe viele liebe Menschen wieder getroffen, die ich aus dem vergangenen Jahr oder über Social Media kannte. Uns eint das Interesse und die Sorge um Menschen mit Demenz und wir wünschen uns, dass sie Teil der Gesellschaft sind und das Thema Demenz entstigmatisiert wird.

Besonders berührt beim Demez Meet Zürich hat mich die Film-Doku “Familienbande” von Erika Jorquera Dietl und Charlotte Linsener. Sie porträtieren in ihrem Projekt drei Familien und gehen der Frage: Was sind wir unseren Angehörigen schuldig? Sehr empathisch, sehr berührend – ganz großartig!
Große Sorgen – und die Suche nach einem neuen Weg
Im Sommer gab es auch Dinge, die mir große Sorgen gemacht haben. Mama hatte einen kleinen Kreislaufzusammenbruch. Schuld daran waren wohl einfach die sehr hohen Temperaturen und dass sie zu wenig getrunken hatte. Aber Papa und uns beunruhigte dies sehr. Vor allem zeigte sich, dass solche Situationen für meinen Papa alleine sehr anstrengend sind. Wir haben viel gesprochen in den Tagen danach und Papa hatte den Wunsch, dass wir für die Zukunft planen. Er wollte sich mit meinem Bruder und mir über Alternativen zum eigenen Haus, etwa ein betreutes Wohnen, informieren.
Auch das Thema Pflegeheim schob mein Papa nicht mehr so abrupt weg, sondern meinte, wir könnten uns ja mal informieren. Für meinen Papa waren das neue Worte. Mein Bruder und ich hatten in den vergangenen Jahren immer wieder Diskussionen darüber angestoßen, weil wir gerne wissen wollten, was meine Eltern sich wünschen und wir uns mit ihnen einfach informieren wollten. Aber Papa reagierte meist nur verärgert, fragte uns, ob er es nicht gut genug mache und meinte, dass er das schon schaffe. Er war immer der Meinung, dass es Mama zu Hause am besten ginge. Und klar, Mama geht es zu Hause sehr gut und Papa kümmert sich liebevoll um sie, aber dennoch merke ich, dass er mehr und mehr gefordert ist und er immer häufiger Momente der Überforderung erlebt.
Wir fingen also an, uns über Pflegeheime und Wohnangebote zu informieren, bei meinen Eltern, bei meinem Bruder, bei mir. Wir besichtigten ein betreutes Wohnen und standen vor der Entscheidung, ob meine Eltern einziehen oder nicht. Für meinen Papa waren es große Fragen und er war innerlich unruhig. Ganz ehrlich, auch mir ging es schlecht. Denn ich musste einsehen, dass ich meine Eltern nicht so sehr unterstützen kann, wie ich es in meiner Idealvorstellung tun wollte. Ich könnte nicht einfach zu ihnen ziehen und Mama pflegen. Ich hätte auch icht genug Platz, um meine Mama bei mir aufzunehmen. Und ehrlich gesagt, hatte ich nur wenig Kraft, um mich Vollzeit um sie zu kümmern. Mich hat das sehr beschäftigt und ich habe viel geweint, denn es hat sich wie Scheitern angefühlt.

Neue Aufgaben, neue Wege – es wird schon gut
2022 war für mich irgendwie auch ein Jahr mit vielen Tränen – und ich bin dankbar für die Menschen, die mich begleitet haben, die mir zuhören, die mir Mut machen, die mich ablenken und die mich sogar zum Lachen bringen. Ich bin wieder zur Therapie gegangen und deser neutraler Raum, in dem ich Sorgen und Ängste thematisieren und ein wenig loslassen kann, tut mir gut. Ich habe wieder einmal gemerkt, dass es nicht hilft, mich nicht an meinen Plänen und Erwartungen festzuhalten. Aber dieses Loslassen und darauf Vertrauen, dass alles so schon gut ist, das fällt mir manchmal schwer.
Ich habe gemerkt, dass ich an manchen Punkten loslassen und vertrauen muss. Ich kann andere Menschen nicht ändern und selbst, wenn ich der Meinung bin, dass eine andere Lösung besser wäre, so liegt es nun mal nicht immer in meiner Hand. Das einzusehen macht mich im ersten Schritt wütend – und im zweiten frei. Denn ich habe gemerkt: Ich darf die Kontrolle abgeben. Ja, ich muss sie sogar abgeben. Das nimmt mir aber auch die Last der Verantwortung. Eine schwere,
Im Sommer habe ich mich für das Innovation Program an der Hamburg Media School beworden. Mein Ziel ist es, den Blog weiter zu entwickeln, um Angehörigen noch besser zu helfen. Wie genau das funktionieren kann, das lerne ich gerade. Ich spreche mit anderen Angehörigen und hinterfrage, was ich bislang gemacht habe. Ich erhalte viel Wertschätzung und schöne Rückmeldungen für den Blog und mein Buch, aber ich probiere auch Neues aus. Auch in 2023 wird mich das Programm begleiten und ich werde weiter an meiner Idee feilen. So habe ich vor kurzem mein erstes digitales Schreib-Café gestartete und möchte das gerne weiter fortführen. Schreiben kann so wahnsinnig hilfreich sein beim Reflektieren und Verarbeiten von Gefühlen – und so auch beim Pflegen und Begleiten eines Angehörigen mit Demenz helfen.

2022 – Mein Motto “Es ist schon gut” hat mich irgendwie ganz gut getragen. Ja, es ist schon gut – und vielleicht ist es auch besser und wer weiß, vielleicht wird es 2023 noch besser.
Jahresrückblick 2022: Meine 3 liebsten eigenen Blogartikel
In diesem Jahr habe ich ziemlich viel gebloggt. Diese Blogtexte liegen mir besonders am Herzen:
- “Erkennt sie dich noch?” Warum ich mir diese Frage nicht mehr stelle – “Erkennt sie dich noch?“ – Das ist die Frage, die mir meist gestellt wird, wenn ich erzähle, dass meine Mama Alzheimer hat. Anfangs war das auch eine meiner Sorgen. Aber mittlerweile ist das für mich nicht mehr relevant. Ich weiß, dass ich ihre Tochter bin. Ich werde es immer sein und brauche von ihr keine Bestätigung. Ich weiß, dass sie immer meine Mama ist – und das ist doch das wichtigste, oder?
- “Liebe Mama, manchmal fühle ich mich zerrissen” – Ich möchte bestmöglich für meine Mama da sein und auch für meine Kinder möchte ich eine gute Mutter sein. Aber ich merke, dass gerade, wenn ich beide Rollen kombiniere, weil ich mit den Kindern bei meiner Mama bin, dass ich dann einen echten Spagat hinlegen muss – und es mir manchmal nicht gelingt.
- Kinderfrage: Ist es schlimm, Demenz zu haben? Als meine Tochter fragte: „Ist es schlimm, Demenz zu haben?“ wusste ich erst nicht, was ich sagen soll. Mein Kind war traurig, und ich wollte sie nicht noch trauriger machen. Unser Gespräch wurde sehr schön. Ich glaube, es hat ihr geholfen – und mir auch.
Meine Wünsche und Ziele für 2023
Ein Instagram-Orakel hat mir für das Jahr 2023 Abenteuer, Liebe und Hoffnung vorhergesagt. Das klingt gut. Ich werde herausufinden, was genau das heißt und was 2023 bringt.
Ich freue mich auf ein paar Tage Ruhe und Auszeit und darauf, 2023 mit neuen oder alten Plänen anzugehen. Diesen Abschnitt hier werde ich in den kommenen Wochen sicher noch ergänzen 🙂
Ich wünsche euch eine gute Rückschau, falls ihr die denn macht und in jedem Fall ein gutes neues Jahr 2023. Möge es viel Erfreuliches, Hoffnungsvolles und Liebevolles für euch bringen!

Den Blog unterstützen
Wenn ihr mich und meine Arbeit am Blog und in Sachen Demenz-Aufklärung unterstützen möchtet, könnt ihr dies gerne hier tun. DANKE an all diejenigen, die dies bereits getan haben!
Bin ganz froh von dir zu lesen … wozu so eine Jahresrückblick Challenge gut 👍🏻 ist. Meine Mama wird 94 und ich ringe sehr um den richtigen Weg … steht auch in meinem Jahresrückblick … vielleicht komme ich im Mai zu deinem Event nach München … werde mir jetzt mal deine Quellen und Referenzen zu Gemüte führen. Alles Gute 🍀 für 2023 … Herzliche Grüße Dagmar
Liebe Dagmar, ja, das mit dem „richtigen Weg“ ist ziemlich vielschichtig. Es verändert sich ja auch stets, was der Angehörige mit Demenz braucht. Das macht es nicht so einfach…
Demnächst gibt’s dann auch mehr Infos zum Demenz Meet. Schau doch gerne auf dem Blog um und melde dich gerne bei Fragen 😉
Liebe Grüße und alles Liebe für dich und deine Mama!
Das geht ja richtig ans Herz;)
Olama