Wenn ein Mensch die Diagnose Demenz bekommt, sind immer auch Freunde und Familie betroffen. Wie kann man gut unterstützen? Darüber habe ich mit Kati Imbeck gesprochen, die sich für ihr Buch „Demenz verstehen – Hilfe für Angehörige und Freunde“ genau mit diesem Thema beschäftigt hat. Im Buch geben sie und Co-Autorin Christine Berg zahlreiche Tipps: von gesunden Rezepten über Wickeleinreibungen bis zur Kommunikation. „Wichtiger als das, was man macht, ist aber, dass man beiden, also dem Menschen mit Demenz und seinem pflegenden Angehörigen, das Gefühl gibt, dass sie nicht alleine sind”, sagt Kati Imbeck. Wie das gelingen kann und wie Angehörige, Freunde, Nachbarn und Kollegen helfen können, erfahrt ihr in dem Interview mit Kati.

Regelmäßig führe ich Interviews mit Experten und Angehörigen zum Thema Demenz und möchte von ihnen wissen, wie man Menschen mit Demenz helfen kann. Dabei geht es auch oft um die Situation der (pflegenden) Angehörigen. Die Interviews findet ihr in ExpertInnen-Gesprächen. Dieses Mal habe ich mit Kati Imbeck gesprochen.
Kati Imbeck ist Journalistin, Referentin und Demenzexpertin. Auf ihrem Blog katicares.com schreibt sie über Themen rund ums Alter. Sie hat ein Demenzstudium an der Uni Witten-Herdecke absolviert. Nun hat Kati Imbeck zusammen mit Christine Berg das Buch „Demenz verstehen – Hilfe für Angehörige und Freunde“ (Nymphenburger Verlag) herausgebracht.

Liebe Kati, was ist das Besondere an deinem Buch „Demenz verstehen“?
Der Anspruch von meiner Co-Autorin Christine Berg und mir an dieses Buch ist, Impulse zu geben, wie man Menschen mit Demenz im Alltag unterstützen kann. Uns ist es auch wichtig, zum Nachdenken anzuregen und eine etwas andere Sicht auf Demenz zu ermöglichen. Vor allem spielt aber das Thema Selbstfürsorge eine große Rolle: Wir möchten den Angehörigen vermitteln, wie sie sich selbst helfen können.
Warum ist euch das Thema Selbstfürsorge so wichtig?
Pflegende Angehörige geben oft all ihre Energie für ihre Partner oder Verwandten mit Demenz. Viele vernachlässigen sich dabei selber. Als Grund hört man oft, dass sie keine Zeit für Selbstfürsorge haben. Auf lange Sicht gesehen kann das aber auch für die Menschen mit Demenz zum Problem werden. Denn für die Betroffenen ist es wichtig, dass es der Person, die ihnen am nächsten ist und sie unterstützt, gut geht. Wenn die pflegende Person am Ende ihrer Kräfte ist, dann ist dem gepflegten Angehörigen nicht geholfen.
Wie können Angehörige gut für sich sorgen?
In vielen Fällen fängt es schon damit an, offen mit der Demenz umzugehen. Das ist natürlich nicht immer einfach, weil dem Menschen mit Demenz die Diagnose vielleicht unangenehm ist. Das ist dann eine Gratwanderung. Man möchte als Angehöriger ja nicht über die Selbstbestimmung des Menschen mit Demenz hinweggehen. Aber ich bin der Meinung, dass es den Angehörigen zusteht, sich zumindest im vertraulichen Gespräch an eigene Bezugspersonen zu wenden. Die Demenz ist nicht nur für die Betroffenen eine Herausforderung, sondern auch für ihr Umfeld. Angehörige müssen ebenso ihren Umgang damit finden.
In der Anfangsphase der Demenz ist das ein Drahtseilakt. Wie würdest du vorgehen?
Ich rate, solche Gespräche zu führen, wenn der Mensch mit Demenz nicht dabei ist. Und damit meine ich nicht, hinter dem Rücken des Betroffenen zu lästern oder ihn bloßzustellen. Vielmehr geht es darum, dass pflegende Angehörige ihre eigenen Gefühle und Verhaltensweisen mitteilen und reflektieren können. Und dann finde ich es wichtig, um Unterstützung zu bitten.
Das fällt vielen sehr schwer.
Ja, das stimmt. Aber die Erwartung, dass alle von sich aus zu einem kommen und helfen, bringt einen nicht weiter. Oft möchten Freunde, Verwandte oder Nachbarn gern helfen, aber wissen nicht, wie und sind verunsichert. Die sind vielleicht sogar froh, wenn Angehörige ihnen konkret sagen, was sie brauchen. Man sollte auf jeden Fall versuchen, die Menschen einzubeziehen, die einem nahestehen.
Und wie könnte man helfen?
Möglichkeiten der Unterstützung gibt es viele: etwa Einkaufen, kochen oder einen Nachmittag gemeinsam etwas unternehmen. Oft klappt es gut, wenn man Gewohnheiten weiterführt. Wenn man früher zum Beispiel regelmäßig gemeinsame Wanderungen gemacht hat, kann man vorschlagen, mal wieder einen Ausflug ins Grüne zu machen. So hat man zum einen eine schöne gemeinsame Aktivität mit Bewegung, die sich positiv auf das Wohlbefinden auswirkt. Zum anderen können sich viele Menschen mit Demenz an liebgewonnene Gewohnheiten erinnern. Dabei ist es vielleicht nicht der Verstand, sondern vor allem das emotionale Gedächtnis, mit dem sie sich erinnern und das dafür sorgt, dass sie sich geborgen und unterstützt fühlen.
Warum ziehen sich viele Menschen zurück und sind so unsicher, wie sie helfen können?
Das ist auch ein gesellschaftliches Problem. Ich bin der Meinung, Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen sollten sich gar nicht so sehr anpassen müssen, um mit ihrem sozialen Umfeld klarzukommen. Vielmehr ist es Aufgabe der Gesellschaft, sich anzupassen, damit Menschen mit Demenz besser in ihr leben können.
Wie meinst du das?
Wenn ein Mensch mit Demenz zum Beispiel im Supermarkt mit Knöpfen bezahlen möchte, kann die Kassiererin oder der Kassierer das erstmal hinnehmen – und dann beim nächsten Mal einen Angehörigen ansprechen und sagen „Ich habe hier noch ein paar Knöpfe. Eigentlich bekomme ich ja 4,99 Euro.“ Schön wäre mehr Flexibilität und Rücksichtnahme. Das passiert sicher schon in dem einen oder anderen Umfeld, aber es wäre gut, wenn sich das verbreitet.
Wie können Freunde und Familie Angehörige gut unterstützen?
Es gibt nicht die eine Patentlösung, denn jeder Mensch ist unterschiedlich und hat verschiedene Bedürfnisse, auch mit der Demenz. Aber es ist sicher immer eine gute Idee, zu versuchen, in die Welt desjenigen mit Demenz einzutauchen. Wenn man eigentümliche Verhaltensweisen nicht automatisch korrigiert oder kritisiert, sondern versucht zu verstehen, wie die Wahrnehmung des Menschen mit Demenz ist und was seine oder ihre Realität in dem Moment ist. Wer sich darauf einlässt, entdeckt bestenfalls neue Wege der Verständigung mit den Betroffenen.
Wenn der Mensch mit Demenz sagt: „Ich will zu meiner Mama.“ Was würdest du antworten?
Würde man antworten: „Ja, da gehen wir jetzt hin“, obwohl man weiß, dass die Mutter schon lange nicht mehr lebt, wäre das therapeutisches Lügen und Vorspielen falscher Tatsachen – das finde ich nicht gut. Ich würde eher schauen, was hinter der Aussage steht und um welches Bedürfnis es geht. Wenn jemand nach seiner Mutter ruft, heißt das vielleicht, dass er sich nach Geborgenheit sehnt. Dann muss man individuell schauen, wie man dieses Bedürfnis befriedigt. Statt zu argumentieren oder über die Verstandsebene zu gehen, ist es oft besser, auf die emotionale Ebene zu wechseln. Wenn man der Person nahe steht, kann man sie in einer aufwühlenden Situation vielleicht an der Hand nehmen oder sie umarmen und so Nähe vermitteln.
In eurem Buch schreibt ihr über das Thema Essen. Welche Rolle spielt das?
Essen ist ein wichtiges Thema, weil es Wohlergehen schafft. Man kann Angehörige und Menschen mit Demenz unterstützen, indem man sie zum Beispiel zum gemeinsamen Kochen besucht. Dann kocht man mit dem Menschen mit Demenz und der pflegende Angehörige kann mal die Füße hochlegen oder spazieren gehen und am Ende essen alle etwas Gutes zusammen. Solche kleinen Gesten können ganz viel bedeuten. Wichtiger als das, was man macht, ist aber, dass man beiden, also dem Menschen mit Demenz und seinem pflegenden Angehörigen, das Gefühl gibt, dass sie nicht alleine sind.
Viele Betroffene und Angehörige fühlen sich alleine. Was hilft da?
Es gibt sehr viele tolle Angebote für Menschen mit Demenz. Darüber berichten wir auch in unserem Buch: von Theaterprojekten über Konzerte bis zu offenen Ateliers, wo man kreativ werden kann. Oftmals wissen die Betroffenen und pflegenden Angehörigen nichts davon. Da könnten Enkel oder Kinder unterstützen, indem sie im Internet nach Angeboten vor Ort suchen, die Infos ausdrucken und mitbringen oder einen Flyer besorgen. Solche Angebote tragen dazu bei, dass sich Menschen mit Demenz nicht alleine fühlen. Nur, weil man eine Demenz hat, muss man nicht zuhause sitzen und warten bis die Fähigkeiten abbauen. Es ist möglich, weiter aktiv zu sein und ein Sozialleben zu führen. Das stärkt auch das Selbstbewusstsein.
An “Demenz verstehen” gefallen mir die vielen konkreten Ideen, wie man sich selber etwas Gutes tun kann. Wie habt ihr die ausgesucht?
Wir wollen mit den Tipps Impulse geben, auch mal was Neues auszuprobieren. Dabei sind wir unter anderem danach gegangen, was wir selber gerne machen und womit wir und unser Umfeld Erfahrung haben. Christine Berg ist eine passionierte Sängerin und interessiert sich sehr für Musik. Von daher gibt es einen großen Musikteil. Mit Eurythmie und Wickelanwendungen haben wir beide im Pflegeheim gute Erfahrungen gemacht. Und über Selbsthilfegruppen und Ernährung habe ich schon auf meinem Blog katicares.com berichtet.
Was ist dein Wunsch für das Buch?
Ich wünsche mir, dass wir mit unseren Tipps möglichst viele Angehörige, Freunde und Freundinnen von Menschen mit Demenz erreichen und unterstützen können. Außerdem freue ich mich, wenn wir mit dem Buch zum Nachdenken anregen.
Verlosung von „Demenz verstehen“

Ich verlose ein Buch „Demenz verstehen“* von Kati Imbeck und Christine Berg.
So könnt ihr teilnehmen: Kommentiert hier oder unter meinem Instagram- oder Facebook-Post: Was ist euer bester Tipp für Angehörige von Menschen mit Demenz?
Aus allen Teilnehmenden ziehe ich eine GewinnerIn.
Viel Glück!
*Zu gewinnen gibt es ein Buch „Demenz verstehen“. Wert: 12,00 Euro. Mitmachen könnt ihr hier auf dem Blog, auf Instagram und/oder Facebook. Jede Person kann nur einmal teilnehmen. Eine Teilnahme ist ab 18 Jahren möglich. Eine Auszahlung in bar ist nicht möglich und der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Mitmachen könnt ihr bis zum 18.11.2021 um 22.00 Uhr. Der/die Gewinner/in wird aus allen Teilnehmenden ausgelost und benachrichtigt. Der Gewinn wurde vom Nymphenburger Verlag zur Verfügung gestellt. Herzlichen Dank dafür!
Sehr schöne und einfühlsame Worte.
Mein Tipp: Viel zu bejahen und abzulenken denn Gegenrede bringt nun nichts mehr – wir müssen lernen die Welt des Dementen zu verstehen und zu akzeptieren und manches auch mal mit seinen Augen zu sehen und zu fühlen.
Ein bildlicher schöner Gedanke 💭 hilft mir dabei sehr.
„Die Mama ist ein Engel und bekommt jetzt Flügel und gleitet langsam in eine andere Welt“
Vielen Dank für dieses Forum 😘