Wer pflegt oder sich um andere Menschen kümmert, muss besonders auf sich achtgeben. Denn wenn man mit seinen Kräften nicht gut haushaltet, läuft man irgendwann Gefahr, sich zu überfordern, depressiv zu werden oder gar einen Burnout zu erleben. Ich kenne das aus eigener Erfahrung, aber sehe es auch an meinem Papa, der sich kaum Zeit für sich nimmt – und sich dann oft gestresst und unruhig fühlt. Wie kann es gelingen, mehr Selbstfürsorge in den Alltag zu integrieren? Die “Zeit-für-mich”-Liste hilft euch dabei, eure Auszeiten zu finden. Sie zeigt: Bei der Selbstfürsorge kommt es oftmals viel mehr auf die kleinen Dinge als große Aktivitäten an.

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Warum Selbstfürsorge wichtig ist
Entspann doch mal! Nimm dir mal eine Auszeit! Das sagt sich so leicht und ist doch so schwer. Und manchmal bewirken diese Sätze auch das Gegenteil. Weil man denkt, der andere traut einem nichts zu oder erkennt die Leistung, die man vollbringt, nicht an. Weil man sich doch eigentlich stark und kräftig fühlt und nicht als schwach behandelt werden möchte. Weil man die Aufgabe möglichst gut erfüllen möchte…
Gründe gibt es viele – und doch ist Selbstfürsorge wichtig. In der Folge “Sei gut zu dir” von “Leben, Lieben, Pflegen – Der Podcast zu Demenz und Familie” haben Anja Kälin und ich darüber gesprochen, warum pflegende Angehörige von Menschen mit Demenz besondere Belastungen erleben. Dabei sind die individuell auch verschieden und pflegende PartnerInnen haben etwa andere Herausforderungen als Töchter oder Söhne. Und natürlich haben wir auch über Strategien für mehr Selbstfürsorge für pflegende Angehörige gesprochen. Auch in meinem Blog ging es jüngst darum (“Die eigenen Kraftquellen pflegen”).

Folge 5: Für sich selbst sorgen – Leben, Lieben, Pflegen – Der Podcast zu Demenz und Familie
Das Thema liegt mir sehr am Herzen, weil ich selber gemerkt habe, dass es nicht gut ist, wenn ich dauerhaft über meine Grenzen gehe. Dabei ist es bei mir weniger die direkte Pflege, sondern vor allem die Traurigkeit, das schlechte Gewissen und die innere Zerrissenheit. Ich möchte es allen recht machen und in allen Bereichen hundert Prozent geben. Was für eine Illusion das ist und dass ich da nach etwas Unmöglichem strebe, ist mir erst vor kurzem klar geworden. Denn ich habe mich dabei vergessen und mir keine Pausen genommen und vor allem meine Bedürfnisse zurückgestellt.
Wo fängt Überlastung an?
Ich erlebe die Last der Pflege vor allem an meinem Papa. Er kümmert sich liebevoll um meine Mama und ist mit großer Fürsorge für sie da. Mein Papa ist kein Mensch, der jammert. Aber an Worten wie: “Naja, es wird schon anstrengender” merke ich, dass er doch stark gefordert ist. Ich mache mir große Sorgen um ihn und habe Angst, dass er sich überlastet. Wenn ich ihm das sage und mit ihm darüber sprechen möchte, was ihn entlasten kann, sagt er meist: “Ich merke schon, wenn ich nicht mehr kann.” Ich wünschte,
Aber merkt man das, wenn man überfordert ist? Und hat man dann noch die Kraft, Hilfe zu suchen? Ich möchte ihm gerne zutrauen, dass er es kann, aber ich weiß aus eigener Erfahrung, dass man es doch nicht ganz alleine merkt, wenn es zu viel ist. Ich wünschte, es würde ihm nicht so schwer fallen, Unterstützung anzunehmen. Anja Kälin hat in unserem Podcast-Gespräch das schöne Beispiel gebracht von einem Ast: “Die Belastung nimmt schleichend zu, wie bei einem Ast, den man langsam biegt.” Jeder weiß: So ein Ast kann eine Menge tragen, aber irgendwann bricht er – und dann ist er kaputt.
Hinterfragen, was wirklich belastet
Damit das nicht passiert, braucht es einen Ausgleich für die zunehmende Belastung. Es braucht eine Stütze für den Ast. Wie die aussieht, ist individuell unterschiedlich. Und bevor man sich auf die Suche nach Strategien macht, lohnt es sich, sich auf die Suche nach der wahren Belastung zu begeben.
Diese Erkenntnis habe ich aus dem letzten Gespräche mit DemenzMeet-Gründer Daniel Wagner und anderen Angehörigen und Experten mitgenommen. “Es ist nicht grundsätzlich die Pflege, die belastend ist”, sagte Bettina Ugolini und riet, genau hinzuschauen, was belastet und bedrückt. Wenn ich bei meiner Mama bin und direkt helfen kann, stresst mich das sogar weniger, als wenn ich nicht da bin. Denn dann kann ich aktiv helfen. Bin ich aber nicht da, belastet mich das schlechte Gewissen und stressen mich meine Erwartungen.
Der Weg zu Selbstfürsorge: mit der “Zeit-für-mich”-Liste
Was kann pflegenden Angehörigen im Alltag zu Selbstfürsorge helfen? Darüber haben wir uns vom Podcast-Team Gedanken gemacht. Isabell Hartmann und Anja Kälin von Desideria Care und ich haben deshalb passend zur Podcast-Folge ein Worksheet entwickelt.
Auf dieser “Zeit für mich”-Liste findet haben wir Ideen zusammengetragen, die im helfen können, Kraft und Energie zu schöpfen. Sie stammen aus den Bereichen Entspannen, Aktiv & Kreativ sein, Reflektieren und Hilfe annehmen. All das sind nur Ideen, viel wertvoller und wichtiger finde ich die Liste, in die man die eigenen Strategien schreiben kann. Wie findet man die? Vielleicht mit folgenden Fragen:
- Was hast du früher gerne gemacht?
- Was zaubert dir ein Lächeln ins Gesicht?
Und besonders hilfreich: auf der Liste kann man direkt eintragen, wann und mit wem man das machen möchte. Erfahrungsgemäß fällt es ja viel leichter, etwas umzusetzen, wenn man es sich konkret vornimmt.
Ich wünsche euch, dass euch diese “Zeit für mich”-Liste im Alltag zu mehr Selbstfürsorge hilft. Mit regelmäßigen Aktivitäten und Auszeiten. Es müssen nicht immer große Auszeiten sein. Auch kleine Dinge, wie ein paar Minuten in die Wolken schauen, können gut tun. Oder einmal das Fenster aufmachen oder auf den Balkon treten und tief durchatmen. Oder sich fünf Minuten schütteln. .
Es ist gar nicht so wichtig, was man tut, solange man etwas für sich tut und die eigenen Bedürfnisse und Wünsche nicht vergisst – denn dann kann eine gute Balance entstehen und der Ast lange halten, auch wenn er eine zunehmende Last tragen muss.
2 Gedanken zu „Zeit für mich: Ideen für mehr Selbstfürsorge im Alltag“