"Liebe Mama...", Demenzmoment

Liebe Mama, was macht dir Freude?

Gibt es Freude im Leben mit Demenz? Früher hätte ich sicher daran gezweifelt, ob das möglich ist. Ich erlebe an meiner Mama und auch an mir und meiner Familie, dass es natürlich Freude mit der Alzheimererkrankung gibt. Manchmal kommt die Freude ganz unverhofft, manches können wir aber auch selber tun, um Freude zu bereiten, zum Beispiel die richtige Musik anstellen.

Elfchen Freude Demenzmoment

Liebe Mama, was macht dir Freude?

Ich erzähle oft, dass deine Alzheimererkrankung auch für mich ein Lernprozess ist und an Themen wie Freude oder Glück merke ich das ganz besonders. Früher habe ich Demenz nur mit Verlust, Vergessen und Verabschieden in Verbindung gebracht. Auch nach deiner Diagnose war irgendwie alles grau und trüb. Ich möchte all das auf keinen Fall abstreiten, denn natürlich hast du durch deinen Alzheimer vergessen und wir müssen uns immer wieder von Fähigkeiten verabschieden.

Aber wenn man genau hinschaut und sich darauf einlässt, wenn man aufhört nur dagegen zu kämpfen, dann wird es möglich, auch eine andere Perspektive einzunehmen und anderes zu sehen (das eigentlich die ganze Zeit da war, man es nur nicht gesehen hat).

Neulich habe ich für einen Artikel einen Psychiater interviewt und es ging um Trennungen und Abschiede. Er meinte, dass Menschen nie alle Seiten eines anderen Menschen sehen. Nach einer Trenung entdecken wir vermeintlich neue Seiten, die aber schon die ganze Zeit dagewesen sind.

Und plöztlich sieht man andere Dinge

Ich glaube, so ähnlich ist deiner Demenz. Mich erfreuen die großen und die kleinen Dinge, aber diese kleine Dinge nehme ich oft überhaupt nicht wahr. Und weißt du, warum? Weil ich mir nicht die Zeit dafür nehme. Weil ich nicht in Ruhe bin, sondern in Gedanken bei all den Dingen, die ich erledigen muss und im Gefühl oft bei den Dingen, die mich enttäuschen oder traurig machen.

Dank dir ist es ein wenig anders (geworden). Wenn ich bei dir bin, kann ich tatsächlich mal abschalten. Nicht immer, denn irgendwelche Aufgaben stehen meist an. Aber wenn du auf der Couch sitzt und ich mich neben dich setze, dann wird es automatisch sehr ruhig – und ich ändere meine Perspektive. Ich nehme dich dann oft in den Arm, weil ich dir nahe sein möchte. Ich sitze neben dir und sehe die Kleinigkeiten. Diese Nähe genieße ich sehr.

Meine Momente der Freude sind oft Momente der Überraschung, wie neulich als du mich auf die Stirn geküsst hast. Oder als du neben mir eingeschlafen bist. Ich saß neben dir und du bist an meiner Schulter eingeschlummert und hast dabei geschnarcht. Das war ein kleiner, großer Moment der Freude. Beides Momente der Überraschung.

Musik zaubert einen Moment der Freude

Aber ich denke, dass wir es auch oft mit in der Hand haben, ob wir Freude erleben oder schenken können. Im Interview hat mir Stefanie Helsper gesagt, dass Angehörige Menschen mit Demenz helfen müssen, Glücksmomente zu erleben, weil sie diese oft nicht mehr alleine herbeiführen können. Was dabei hilft, ist ganz unterschiedlich. Ich habe neulich mal wieder gemerkt, wie freudig dich die Musik macht.

Ich wollte dein Bein eincremen und habe es dazu auf den Hocker gelegt. Doch dann ist mir eingefallen, dass du vielleicht Lust hättest, Schlagermusik zu hören. Also habe ich noch schnell den CD-Player angemacht und dann habe ich angefangen dein Bein einzucremen. Und währenddessen hast du plötzlich angefangen, das andere Bein im Takt zu bewegen. Es hat mir ein riesiges Lächeln ins Gesicht gezaubert und war ein Moment der Freude.

Liebe Mama, ich hoffe, dass ich dir noch viele dieser Momente bescheren kann. Ich wünschte, du könntest mir sagen, was dir Freude macht. Aber eigentlich weiß ich es doch ganz gut, wenn ich auf dich schaue und dir das gebe, was dir gefällt. Es klappt vielleicht nicht immer, aber ein Versuch ist es dennoch wert, oder?

Deine Peggy

.

Dieser Text macht mit bei der Blogparade #Demenzmoment. Immer am 21. jeden Monats laden Tanja Neuburger und ich dazu ein. Das Thema für den 21. Februar lautet Freude. Noch mehr Texte findet ihr auf der Demenzmoment-Website.

Kommentar verfassen