Die Diagnose Demenz wirft viele Fragen auf, aber an wen wenden? Unsere Ansprechpartner waren lange nur Ärzte. Für viele Themen haben wir versucht, alleine eine Lösung zu finden. Es hat sehr lange gedauert, bis wir erstmals eine Pflegeberatung genutzt haben. Damit haben wir wertvolle Informationen – und auch Unterstützungsleistungen – verstreichen lassen. Eine aktuelle Studie bestätigt, wie wichtig die Pflegeberatung ist. Ich möchte euch kurz vorstellen, was bei einer Beratung zur Pflege passiert, welche Unterschiede es gibt und an wen ihr euch wenden könnt.

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Im Dickicht der Pflegeleistungen
Als meine Mama die Diagnose Alzheimer erhielt, standen wir damit ziemlich allein. Ihr Arzt hat uns vermutlich empfohlen, Beratung zur Pflege in Anspruch zu nehmen. Aber wir haben es nicht getan. Wir dachten, wir bräuchten sie nicht. Die Diagnose Demenz war schrecklich, aber meine Mama kam im Alltag ja gut zurecht. Themen wie Pflegeheim und Pflege schob ich weit weg. Zum einen, weil ich dachte, wir hätten viel Zeit und müssten uns noch nicht damit beschäftigen. Zum anderen hatte ich auch Angst davor. Ich hatte Angst, meine Mama darauf anzusprechen, denn auf keinen Fall wollte ich sie traurig machen oder ihr das Gefühl geben, sie in ein Heim abschieben zu wollen.
In Ratgebern las ich über Verhinderungspflege, Entlastungsbetrag, Kurzzeitpflege. Ich verstand, dass es Unterstützungsleistungen gibt, aber das wirkte auf mich wie ein Dickicht. Ich konnte mir nicht vorstellen, was sich hinter den Leistungen verbirgt und welchen Nutzen sie für unsere Situation haben könnten. ‘Was soll meine Mama in einem Pflegeheim?’, fragte ich mich, denn irgendwie klangen all diese Leistungen so nach Pflegeheim – und all das war in weiter Ferne. Dass wir damit auch Entlastungsleistungen für zuhause oder für Ehrenamtliche nutzen konnten oder dass die Kasse für Pflegehilfsmittel aufkam, das wussten wir nicht.
Die Beratung bringt Licht ins Dickicht
Erst viele Jahre später – als wir den Schritt in Richtung Tagespflege erwogen und im Badezimmer die Dusche umbauen wollten – nutzten meine Eltern die erste Pflegeberatung und beantragten auch einen Pflegegrad für meine Mama. Wer einen Pflegegrad hat, hat regelmäßig Anspruch auf diese Beratungen der Pflegekasse. Seitdem habe ich verschiedene Erfahrungen damit gemacht. Mit jedem Mal kam aber ein Stück mehr Licht ins Dickicht, denn ganz ehrlich: all diese Unterstützungsleistungen der Pflegeversicherungen sind gut, aber sie sind gar nicht so leicht zu verstehen.
Zu Beginn kam ein Pflegeberater, der uns die verschiedenen Leistungen gut erklärt hat. Bis dahin war mir nicht klar, was meiner Mama alles zusteht und welche Leistungen sich wofür anrechnen lassen. Unklar war mir allerdings, wie wir an diese Angebote kommen und welche es vor Ort überhaupt gibt. Mittlerweile übernimmt der Pflegedienst die Aufgabe der Beratung – und ich finde es besser. Denn die Mitarbeitenden kennen meine Eltern besser und sie sind vor Ort gut vernetzt und können direkt an Ansprechpartner verweisen.
Pflegeberatung bringt Nutzen
Ich möchte euch im folgenden ein paar Infos an die Hand geben und vor allem ermutigen, die Pflegeberatung zu nutzen. Das kann nur der zu Pflegende und der pflegende Angehörige sein oder auch in größerem Kreis passieren. Ich finde es zum Beispiel hilfreich, wenn mein Bruder oder ich auch mit dabei sein können, weil man so einfach mehr Informaitonen erhält und das eine gute Gelegenheit ist, Fragen zu stellen. Es ist ja meist hilfreich, wenn mehrere Familienmitglieder involviert sind und auch die Gelegenheit bekommen, sich damit zu beschäftigen und nachzufragen.
Die aktuelle Pflegestudie des Sozialverbands VdK zeigt, dass wir mit unseren Erfahrungen nicht alleine sind. Ein Großteil der Pflegeleistungen wird nicht genutzt – die Gründe dafür sind vielfältig. Die Studie zeigt aber auch, wie hilfreich Beratung zur Pflege ist. Wird eine Pflegeberatung genutzt, so steigt die Wahrscheinlichkeit, Pflegeleistungen zu verwenden, deutlich an, beispielsweise bei der Tagespflege von 17 auf 83 Prozent.
Rückblickend würde ich sagen: Am besten nutzt man eine Pflegeberatung so früh wie möglich, selbst wenn man noch keine Pflegeleistungen benötigt. Auch Dr. Sarah Straub, die an der Gedächtnissprechstunde am Universitätsklinikum Ulm arbeitet, sagt im Podcast-Gespräch zur Diagnose: “Es macht Sinn, sich von Anfang an beraten zu lassen und das Wissen anzueignen, damit man dann in einer akuten Belastungssituation oder wenn es schlechter wird, nicht vor einem Berg an Fragen steht und nicht weiß, was man tun soll.”
Was passiert bei einer Pflegeberatung?
Eine PflegeberaterIn informiert über die Angebote und Leistungen der Pflegeversicherung und klärt über Themen wie Verhinderungspflege, Kurzzeitpflege, Tages- und Nachtpflege, Entlastungsbeitrag auf. In der Pflegeberatung sollen die für die Person geeigneten Leistungen aufgezeigt werden. Ziel ist es, einen individuellen Versorgungsplan zu erstellen. PflegeberaterInnen besprechen auch, ob Hilfsmittel notwendig sind und nehmen diese gegebenenfalls in den Antrag für die Pflegekasse auf.
Eine Pflegeberatung sollte immer neutral und unabhängig sein. Und: Sie sollte vom Bedarf des Menschen mit Demenz ausgehen. Pflegeberatung ist aber nicht gleich Pflegeberatung. Es gibt verschiedene Arten der Pflegeberatung:
- Die Pflegeberatung nach § 7a SGB XI ist die Erst-Beratung, wenn der Antrag auf Pflegebedürftigkeit gestellt wurde. Diese Beratung ermittelt den aktuellen Stand und soll umfassend informieren.
- Die Pflegeberatung nach § 37.3 SGB XI sind die Beratungseinsätze, die nach der Einstufung in regelmäßigen Abständen zuhause stattfinden. In bestimmten Fällen sind Pflegebedürftige dazu verpflichtet: Wer ausschließlich Pflegegeld erhält, muss etwa mit Pflegegrad 2 und Pflegegrad 3 sich einmal pro Halbjahr beraten lassen, mit Pflegegrad 4 und Pflegegrad 5 ist es einmal pro Vierteljahr.
- Die freie Pflegeberatung: Diese bieten freie Pflegeberater an, und ihr Angebot geht über das der Kassen hinaus. Freie PflegeberaterInnen erklärten oftmals detaillierter über Unterstützungsleistungen, kümmern sich um Antragstellung und Widerspruchsverfahren und coachen zu Themen wie Selbstfürsorge.
Wer kann eine Pflegeberatung nutzen?
Pflegebedürftige können eine Beratung nutzen, unabhängig vom Pflegegrad. Mit Einverständnis oder Vollmacht können auch Angehörige die Beratung in Anspruch nehmen. In der Pflegeberatung soll auch darüber informiert werden, welche Möglichkeiten zur Entlastung sie nutzen können. Auch ehrenamtlich Pflegende können eine Pflegeberatung nutzen.
Was kostet eine Pflegeberatung?
Die Kosten für die Pflegeberatung nach §7a und §37.3 werden von der Pflegekasse übernommen. Wer diese Beratungen nutzt, muss nichts dazu zahlen. Anders die freie Pflegeberatung. Hier müssen die Kosten selbst übernommen werden. Sie unterscheiden sich je nach Anbieter. Sie nehmen sich aber oftmals auch mehr Zeit und begleiten euch langfristig. Informiert euch vorab und klärt die Leistungen.
Wie findet man eine Beratung zur Pflege?
Je nach Bundesland gibt es verschiedene Strukturen und unterschiedliche Anlaufstellen. Wer einen Antrag auf Pflegebedürftigkeit stellt, erhält von der Kasse einen Hinweis auf eine PflegeberaterIn oder eine Beratungsstelle – und kann dort erst einmal nachfragen.
Es gibt verschiedene Angebote zur Pflegeberatung. Ansprechpartner findet ihr hier:
- Pflegekasse
- Pflegedienst
- Wohlfahrtsverbände
- Pflegestützpunkte
- selbstständige Pflegefachkräfte/-beratungen
- Verbraucherzentralen
- Beratungsstellen, unter anderem der Alzheimer Gesellschaften
Eine gute Möglichkeit, sich zu informieren und nach einem Ansprechpartner zu suchen, ist die Datenbank des Zentrums für Qualität (ZQP). Dort sind bundesweit Angebote zur Pflegeberatung aufgelistet: von Pflegestützpunkten, Wohlfahrtsverbänden, Pflegekassen und zertifizierten Stellen. Die Ergebnisse lassen sich zudem filtern, zum Bespiel speziell zum Thema Demenz oder Wohnen. Hier geht’s zur Suche
Wo findet die Beratung statt?
Die Beratung kann im Büro des Pflegeberaters oder zu Hause stattfinden. Beratungseinsätze nach §37.3 sind immer Hausbesuche, die nach Absprache stattfinden. Im Rahmen der Corona-Sonderregelungen sind bis zum 30.6. auch digitale oder telefonische Beratungen möglich.
Wie kann ich mich vorbereiten?
“Sinnvoll ist es, sich vorab Stichpunkte zu der individuellen Pflegesituation zu machen und Fragen zu notieren, die man im Gespräch geklärt haben möchte”, rät Michael Matheis von der Deutschen Pflegeberatung Matheis in München. “Hilfreich ist es auch, das bisherige, eventuell bereits Jahre zurückliegende sozialmedizinische Gutachten zu lesen und reflektieren.” Überlegt euch: Passt noch, was darin aufgeführt ist? Wie hat sich die Situation entwickelt? Wie hat sich der Pflegebedarf verändert? Möglicherweise kann bei der Pflegeversicherung eine Höherstufung beantragt werden. Dies kann man dann in der Beratung ansprechen und sich auf den Termin vorbereiten.
Mein Tipp
Egal, wo oder wie, ob Beratung der Kassen oder freie Pflegeberatung – nutzt sie und zwar am besten so früh wie möglich. Klar, es macht nicht wirklich Freude, sich mit den Pflegeleistungen zu beschäftigen, und man muss sich in das Thema ein wenig hineinknien, um zu durchblicken, welche Unterstützungsleistungen es gibt und welche sich für die individuelle Situation eignen – eine gute Pflegeberatung kann da eine wahnsinnge gute Hilfe sein.
Sucht euch jemanden, der euch dauerhaft begleitet und sich vor Ort gut auskennt und euch Adressen von Pflegediensten, Tagespflegen, Ehrenamtlichen vor Ort geben kann. Die Herausforderungen mit der Demenz verändern sich immer wieder – und auch die Unterstützungsleistungen müssen an die aktuelle Situation angepasst werden. Gut, wenn man dabei nicht auf sich gestellt ist, sondern jemanden an der Seite hat, der gut berät und gezielt auf die persönliche Situation eingehen kann und zum Beispiel auch sieht, wann es Zeit wäre, einen neuen Pflegegrad zu beantragen.