Der 1. Juli ist ein besonderer Tag, weil Mama Geburtstag hat. Ich weiß nicht, ob sie noch weiß, dass sie Geburtstag hat, aber ich bin überzeugt davon, dass sie die Geburtstags-Fröhlichkeit spürt, dass sie die Erdbeertorte genießt und Freude an unserem Lavendel-Geschenk hat. Ein neuer Brief an Mama: Liebe Mama, alles Liebe zum Geburtstag!

Liebe Mama, alles Liebe zum Geburtstag!
Heute ist dein Geburtstag und wir feiern mit dir – und das ist wunderschön. In den vergangenen Tagen war ich ein wenig skeptisch, ob wir feiern sollten und das nicht vielleicht zu anstrengend für dich wird.
Ich frage mich das seit einigen Jahren eigentlich immer wieder – und dann, wenn es so weit ist, denke ich: Wie gut, dass wir gefeiert haben! Und auch heute war das wieder so.
Ich bin mir nicht sicher, ob du verstehst, dass wir zusammengekommen sind, um auf dich und deinen Ehrentag anstoßen. Wir sitzen auf der Terrasse, essen Erdbeertorte, stoßen mit Sekt an. Du hast die Augen geschlossen, schläfst fast die ganze Zeit – und bist doch dabei. Ich bin überzeugt davon, dass du diese Geburtstags-Fröhlichkeit spürst – und das ist doch das wichtigste, oder?
Ich erinnere mich an die Situation vor sieben Jahren. Damals bist du 60 Jahre geworden und wir hatten eine große Feier geplant. Vorab haben wir uns alle bei euch getroffen. Meine Kleinste war ein Baby und den ganzen Morgen unruhig. Ich wollte eine Runde mit ihr spazierengehen und du bist mitgekommen. Wir sind eine Runde um den Dorfteich gedreht und als wir nach Hause gingen, fragtest du mich: “Warum sind denn all die Leute da?” Ich erinnere mich an diese Situation so genau, weil ich schockiert war und nicht recht wusste, was ich sagen sollte. Ich wollte meine Überraschung nicht zeigen, um dir kein schlechtes Gefühl zu geben. Und so sagte ich: “Die sind alle gekommen, um mit dir zu feiern.”
Im Laufe der Jahre sind deine Besucher leider weniger geworden. Viele kommen nicht mehr zu euch. Ich weiß nicht, ob es die Unsicherheit ist oder die Angst, selber einmal an Demenz erkranken zu können. Nun ja,… So schön, dass wir heute alle hier sind, deine Familie weiter um dich ist.
Ich weiß nicht, ob du weißt, dass du heute Geburtstag hast. Aber ich hoffe, du spürst, dass du nicht nur heute besonders bist, sonder immer und an jedem Tag.
„Happy Birthday“ haben wir heute früh für dich gesungen. Du hattest die Augen geschlossen, wie so oft in letzter Zeit.

Und dann hast du langsam die Augen aufgemacht. Meine Jüngste hat den Topf mit dem duftenden Lavendel gehalten und ihn dir entgegengestreckt. Lange habe ich überlegt, was ich dir schenken kann und dann fiel mir ein, dass du Lavendel magst und dass dich der Lavendelduft ja auch jetzt noch erfreuen kann.
Wir haben deinen Arm gestreichelt und gesungen. Dann hast du geschaut und gelächelt, hast leise für dich gemurmelt, jedem von uns in die Augen geschaut, mit einem Lächeln auf dem Gesicht.
„Wir hoffen, dass du noch lange bei uns bist!“, sagte Papa.
Liebe Mama, danke für alles! Happy Birthday, meine liebe Mama!
Deine Peggy

Liebe Peggy,
vielen Dank für den schönen Beitrag. Ich bin jedes Mal zu Tränen gerührt, Du schreibst einfach wunderschön! Ich folge Dir auch über Instagram und durch Dich macht das Leben mit einer an Demenz erkrankten Person wesentlich “erträglicher”, wobei erträglich vielleicht das falsche Wort ist und zu hart klingt.
Wir lieben diese Person! Bei mir ist es mein Vater, es wurde vor 3 Jahren diagnostiziert. Meine Mutter ist leider vor 23 Jahren verstorben.
Ich kümmere mich um ihn. An manchen Tagen habe ich wirklich gute Nerven und Geduld, aber manchmal fällt es mir sehr schwer, ruhig und geduldig zu sein.
Die Ironie dabei ist, dass ich seit 30 Jahren Arzthelferin bin und mit den Patienten immer Geduld habe, nur mit meinem eigenen Papa nicht….
Liebe Grüße aus Karlsruhe und bitte weiter so… der Blog ist hervorragend
Angelica
Liebe Angelica,
vielen lieben Dank für deine Rückmeldung und die Wertschätzung gegenüber meiner Arbeit und meinem Blog!
Ach, weißt du, “erträglich” ist vielleicht genau das richtige Wort. Demenz lässt sich nicht schön reden – auch wenn es dennoch schöne Momente gibt und das wichtig ist -, aber manche Momente sind hart und überfordernd und verunsichernd und da ist “ertragen” doch genau das, worum es geht. Schwere Momente irgendwie ertragen können, ohne darin unterzugehen.
Ich glaube, wenn ein Angehöriger betroffen ist, ist es immer schwieriger, einfach weil da so vieles mitschwingt und immer das Loslassen und Abschiednehmen mitschwingt, das bei deinen Patienten vermutlich nie die emotionale Rolle spielt. Die kennst du nicht von früher und zu denen hast du ja eine andere Bindung. Aber wenn die Eltern eine Demenz haben und langsam verschwinden, bringt das nun mal viele Emotionen mit.
Alles Gute und Liebe für deinen Vater und ganz besonders auch für dich!
Liebe Peggy,
nur zu gut weiß ich wie Alzheimer Demenz einen sehr lieben und fröhlichen Menschen mit Herz u. Schaffenskraft verändert in einen „Nichts-mehr-alleine-können-Mensch“ .
Als ihn rund um die Uhr betreuende beste Freundin gebe ich seit über 5 Jahren mein Bestes um für ihn dazusein, aber es wird immer herausfordernder und härter und Zuversicht schwindet doch leider immer wieder täglich mehrfach bis hin zur Überforderung.
Ein ständiger Gefühlswechsel von Geduld und Hingabe geprägt bis hin zum totalen nervlichen Aufgewühltsein.
Für ihn bin ich alles und die Beste. Ich jedoch habe kein eigenes Leben mehr , kann ihn nicht mehr alleine lassen und bin komplett gebunden.
Alles ist auf ihn eingestellt und ich versuche es immer wieder ihm auch schöne Zeiten zu gestalten, denn stressige Zeiten gibt es leider immer mehr .
Er beschäftigt sich selber mit nichts mehr und möchte immer um mich sein . Das ist für mich mittlerweile sehr belastend.
Jedoch weiß ich die schönen Momente zu genießen, obwohl meine Kraft schwindet und da er sich nicht mehr mit mir unterhalten kann, fühle ich mich doch sehr alleine und einsam, denn keiner aus unseren Familien hilft uns , fragt noch nichtmals nach , geschweige möchte man uns treffen.
Man verzagt so nach und nach und die guten, wohlwollenden Gefühle und Taten gehen über in Angst, Zweifel und Not .
Schön, dass ihr als Familie so zusammenhaltet und euch unterstützt und gemeinsam feiert.
Das hatten wir auch mal von unseren Familien gedacht, dass man immer füreinander da ist und es immer wieder ein „ Miteinander“ gibt…, aber leider ist dieser Plan nicht aufgegangen und es ist uns verwehrt.
Dir und Deiner Familie weiterhin bestes Gelingen
Ganz liebe Grüße
Veronika ❣️mit meiner Herzenslady Luna 🐕🐾
Liebe Veronika,
es tut mir leid zu lesen, dass du geade in einer schwierigen Situation bist. Dagmar hat es ja in ihrem Kommentar schon erwähnt. Gibt es denn die Möglichkeit der Verhinderungspflege, sodass du mal stundenweise eine Auszeit haben kannst? Dass die Familie hilft, ist ja immer so die Idealvorstellung, aber in vielen Fällen funktioniert das nicht oder auch nicht in dem Maße, in dem es notwendig wäre.
Aber ganz alleine alles meistern zu müssen, ist natürlich auch schwierig. Wenn du Rat brauchst, kann ich dir empfehlen, dich an eine Pflegeberatung oder Angehörigenberatung zu wenden. Vielelicht hilft dir ja auch ein Coaching weiter?
Viele liebe Grüße und melde dich gerne, falls ich weiter helfen kann,
Peggy
Liebe Peggy, danke für deine immer Mut machenden Beiträge 😃
Mein Mann wird im August 90 und auch ich bin unsicher, wie und ob ich feiern soll! Aber dein Beitrag hat mich ermutigt, doch zu feiern! Da er auch fast immer die Augen zu hat und schläft und ich nicht weiß, was er registriert und was nicht, ist es echt schwierig, eine für ihn gute Entscheidung zu treffen! Diese häufig geschlossenen Augen und das fast andauernde schlafen irritieren mich immer und ich bin froh, so nebenbei von dir erfahren zu haben, dass es bei euch ähnlich ist! 😅
Auch die anderen Beiträge haben mich berührt, ich kann alle nur ermuntern, über die Verhinderungspflege sich Unterstützung zu holen, um sich selber zu entlasten, denn die emotionalen Wechselbäder kommen immer häufiger und das kostet sehr viel Kraft! Ich merke so sehr, dass ich nur gut für meinen Mann sorgen kann, wenn ich auch gut für mich sorge! Deshalb mein Appell an alle Pflegenden: achtet auch auf euch, damit tut ihr eurem Angehörigen Gutes!
Auch bei meinem Mann ist 2018 Alzheimer diagnostiziert worden und ich kann diese Diagnose bis heute nicht akzeptieren. Im April ist er 60 geworden und wir haben gemeinsam gefeiert. Für mich ist besonders schwer zu sehen wie er sich verändert, wie aus einem lebenslustigen aktiven und gebildeten Menschen tagtäglich mehr ein Pflegefall wird, nicht mehr selbst bestimmt leben kann.
Im Blog von Peggy lese ich von schönen Momenten und Erfahrungen, sieht das ihr Vater ebenso?
Ist der Lebenspartner betroffen, ist die Situation eine ganz andere. Hier spricht mir Herr Urban in seinem Podcast aus der Seele.
Liebe Bettina,
ja, die Situation ist tatsächlich noch mal eine ganz andere, wenn der Partner betroffen ist. Es macht nun in verschiedenen Dingen einen Unterschied, ob man das pflegende Kind oder der pflegende Partner ist.
Meinem Vater ist es auch sehr schwer gefallen, die Alzheimererkrankung meiner Mama zu akzeptieren. Und in gewisser Weise habe ich jetzt noch manchmal das Gefühl, dass er es nicht akzeptiert hat. Aber im Alltag hat er es, er geht auf ihre Bedürfnisse ein und kümmert sich liebevoll. Es fällt ihm schwer und macht ihn traurig, aber auch er berichtet oft von den schönen Momenten und Erfahrungen. Jedes Lächeln von Mama macht ihn froh. Bis vor einem Jahr waren sie auch viel Spazieren und ich weiß, dass er das immer sehr genossen hat und das für ihn Glücksmomente waren.
Liebe Dagmar,
ob und wie ihr feiern möchtet, kannst du am besten einschätzen. Unsere Feier war in viel kleinerem Kreise als dies früher oft der Fall war – und doch glaube ich, dass es gut war, dass es eine kleine Feier gab. Ich wünsche euch eine schöne Feier und deinem Mann, dass er einen schönen Tag erlebt. Du wirst es sicher an seinen Reaktionen erkennen, wie es für ihn am besten ist. Meine Mama hat beispielsweise einen richtig langen Mittagsschlaf gemacht, sodass sie einfach Ruhe hatte an dem Tag.
Danke für deine Ermutigung mit der Verhinderungspflege. Die ist wirklich wichtig und hilfreich. Kann ich auch nur empfehlen. Wie gut, dass du einen guten Weg für dich gefunden hast.
Alles Liebe und Gute für dich und deinen Mann!
Hallo liebe Peggy,
wie immer lese ich Deine Zeilen ganz aufmerksam u. jedes mal wird mir ganz weh ums Herz. Ja, wie feiert man den Geburtstag eines nahe stehenden Menschen der eigentlich nur körperlich anwesend ist? Es ist so unendlich schwer gerade an so einem Tag positive Gedanken zu haben, man überbringt gute Wünsche u. hat doch die Tränen in den Augen.
Auch ich bemerke Besuche von Bekannten sind selten. Ich meine die Menschen scheuen sich vor der Konfrontation, wissen nicht wie man mit dem Betroffenen umgehen soll. Schuld daran ist aber auch die Gesellschaft, über Alzheimer u. Demenz wird zu wenig gesprochen. Erst als Betroffener informiert man sich über dieses Krankheitsbild, über Krebs hat man hingegen schon viel mehr gehört.
Liebe Peggy, wie schafft der Papa das alles? Als Partner ist man immer u. mit allem allein. Niemand redet mit einem beim Frühstück, plant den Tag. Man ist immer, stets u. ständig mit den nagenden Sorgen um seine Frau/Mann konfrontiert. Keiner kann die Last nehmen, leider. Und als Eltern möchte man auch nicht die Kinder immerzu mit der Krankheit konfrontieren. Aber wem kann man sich anvertrauen, wer bringt Verständnis auf, wie lange hält das die eigene Psyche durch……manchmal sieht man kein Licht mehr
Herzliche Grüß nach München u. nach Zeitz
Elke
Liebe Elke,
vielen Dank für deine Rückmeldung und vor allem auch für deine guten Wünsche!
Mein Papa vollbringt da so viel, jeden Tag und ich staune immer wieder, wie er das schafft. Du hast Recht, diese Einsamkeit und Stille, die ist schwer. Das sagt er häufig. Für Menschen mit Demenz und auch ihre Familien sind soziale Kontakte eigentlich so wichtig und doch nehmen die leider oft ab. Vermutlich ist es die Unsicherheit, wie du schreibst. Demenz ist immer noch irgendwie ein Tabu-Thema. Das ist schade und macht es Betroffenen schwer. Wir können die Gesellschaft zwar nicht verändern, aber sicher einen Teil dazu beitragen, indem wir darüber sprechen und schreiben und anderen davon berichten und so für mehr Offenheit sorgen (so zumindest mein Ziel und Wunsch).
Viele liebe Grüße und viel Kraft für dich!
Von Herzen, Peggy
Die Herausforderung ist jeden Tag so gut wie möglich zu meistern aber es ist ein Unterschied ob ich als Rentner zuhause bin oder voll berufstätig.
Eine Seite ist hier der Partner aber man hat mit 59 Jahren Wünsche, welche man eigentlich gemeinsam verwirklichen wollte, diese sind jetzt in sehr weite Ferne gerückt.
Alle Ihre positiven Gedanken kann ich nicht teilen, für mich ist es kaum zu ertragen die Veränderung meines Mannes mit anzusehen und nichts dagegen tun zu können.