Was ist Alzheimer?

Was ist Alzheimer? Verrückte Frage, denkt ihr? Denn eigentlich ist doch klar, dass es eine Krankheit ist. In diesem Blog-Artikel möchte ich euch zu einem Perspektiven-Wechsel einladen. Ja, die Alzheimer-Demenz ist eine Krankheit – und sie ist doch noch viel mehr

Es wirkt fast ein wenig merkwürdig, dass ich, nachdem ich schon so lange über meine Mama und ihre Alzheimer-Erkrankung schreibe, zum ersten Mal diese Frage stelle: „Was ist Alzheimer?“

Alzheimer: Die medizinische Erklärung

Ja, was ist Alzheimer denn? Mediziner finden dazu eine klare Antwort. In ihrem Diagnoseschlüssel ICD-10 steht die Definition: „Die Alzheimer-Krankheit ist eine primär degenerative zerebrale Krankheit mit unbekannter Ätiologie und charakteristischen neuropathologischen und neurochemischen Merkmalen. Sie beginnt meist schleichend und entwickelt sich langsam aber stetig über einen Zeitraum von mehreren Jahren.“ Ganz schön kompliziert und kaum zu verstehen für Laien. Im Grunde genommen heißt es: Alzheimer ist ein langsam fortschreitender Verfall des Gehirns. Alzheimer ist eine Form von Demenz und mit etwa 60 – 65 Prozent die häufigste Demenzform. Detaillierte medizinische Informationen findet ihr auch bei der Deutschen Alzheimer Gesellschaft oder der Alzheimer Forschung Initiative.

Alzheimer wird im Allgemeinen mit Vergessen gleich gesetzt. Auch ich dachte lange, dass eine Alzheimer-Demenz bedeutet, dass der Mensch Erinnerungen, Menschen, Erlebnisse vergisst. Dass dieses Vergessen aber auch einfache Routinen und Handlungen umfasst, war mir lange nicht klar. Dass mit der Krankheit auch der Verlust des Sprechens oder Schluckstörungen einhergehen, ahnte ich nicht. Ich lernte all dies auf dem Weg, den ich seither mit meiner Mama gegangen bin. Alzheimer ist allumgreifend und nimmt jegliche Fähigkeiten.

Die Demenz ist auch ein Neubeginn

Alzheimer, das ist aber nicht nur eine Krankheit. Wenn ich mit Angehörigen oder mit Menschen mit Demenz spreche, so höre ich ganz oft andere Erklärungen.

„Demenz ist ein Neubeginn… Die Demenz ist ein Eintritt in eine andere, in eine neue Welt“, hat Davide Lacornsri in seinem Buch „Miss Demenzia und ihr demenzielles Herrchen“ geschrieben. Als Frühbetroffener berichtet er auf Facebook und nun in einem Buch über seine Erfahrungen und schreibt Sätze wie „Wir können gegen die Demenz ankämpfen und werden verlieren… Wir können uns aber auch mit der Demenz anfreunden, sie zu unserer Begleiterin machen und noch viele gute Tage, Monate, Jahre erleben“.

Alzheimer soll ein Freund sein? Was hätte meine Mama gesagt, wenn ihr das jemand vor ein paar Jahren gesagt hätte? Sie war oft traurig und unsicher, genauso wie ich und der Rest meiner Familie. Demenz, das war etwas, das wir wegschieben wollten. Etwas, über das wir anfangs viel und dann wenig sprachen. Irgendwie hofften wir alle, es würde alles so bleiben wie immer.

Aber das tat es natürlich nicht. Es kamen viele Herausforderungen und irgendwie hechelten wir immer der Realität hinterher. Was wäre gewesen, wenn wir die Demenz als Neubeginn gesehen hätten – und ihn angenommen hätten?

Frei und dankbar

Wenn ich meine Mama jetzt so anschaue, wie sie zufrieden auf der Couch sitzt oder zur Musik schunkelt, beneide ich sie beinahe. Sie wirkt so frei, und dies ist sie vor allem durch ihre Demenz-Erkrankung geworden. Sie hat im Laufe der Zeit mit der Demenz neue, andere Dinge entwickelt. Sie zeigt und lebt ihre Gefühle intensiv aus, die Freude als auch die Trauer. Sie lebt ihr Fühlen. Meine Mama kann so herzlich lachen, wie ich es früher nie erlebt habe.

Alzheimer ist auch für mich als Angehörige irgendwie ein Neubeginn. Die Krankheit meiner Mama war eine große Krise für mich, ein langer Lernprozess. Ich habe viel in meinem eigenen Leben infrage gestellt. Mittlerweile bin ich überzeugt davon, dass Alzheimer so viel mehr ist als eine Krankheit, dass es tatsächlich ein Neubeginn ist. Heute weiß ich mein Leben viel mehr zu schätzen. Ich bin dankbar und versuche dieses eine Leben, das mir meine Mama vor vielen Jahren schenkte, zu nutzen.