"Liebe Mama..."

Liebe Mama, hat Corona nun ein Ende? Und was hat es mit uns gemacht?

Nun gibt lang ersehnte Lockerungen und Impfungen für immer mehr Menschen. Meine Eltern sind geimpft, auch ich habe schon die erste Impfung hinter mir. Man könnte meinen, dass dieser Corona-Spuk bald ein Ende hat. Ja, hoffentlich. Meine Gefühle entsprechen einer Mischung aus Müdigkeit, Frust und Hoffnung. Ich möchte daran glauben, dass nun alles besser wird. Liebe Mama, was hat Corona für dich geändert? Mit mir hat es sehr viel gemacht. Ich wünsche mir, dass einiges bleibt und vieles sich ändert.

Peggy Impfung

Liebe Mama, hat Corona jetzt ein Ende?

Ich freue mich über die Lockerungen, die es nun gibt. Ich freue mich mit meinen Kindern, dass sie endlich wieder in die Schule gehen können. Ich freue mich, dass sie ihren Hobbys nachgehen können, dass sie Fußball spielen und zum Klavierunterricht gehen können. Ich freue mich sogar, dass der Schuhladen ums Eck endlich wieder normal öffnet und ich mit den Kindern Schuhe kaufen kann. In wenigen Tagen werden Menschen wieder in Biergärten und Cafés sitzen, vielleicht sogar in größeren Gruppen. Denn für alle jene, die ausreichend geimpft oder genesen sind, gibt es großzügige Lockerungen, so hat es die Bundesregierung kürzlich beschlossen.

Die Inzidenzzahlen sinken und ich höre schon die Versprechungen von einem normalen Sommer und von Urlauben. Hat Corona jetzt ein Ende?

Ich wünsche mir das sehr. Und ja, viele Ängste und Sorgen, die ich in dem vergangenen Jahr hatte, könnte ich zur Seite legen. Da war vor allem die Angst, dass du und Papa euch ansteckt. Jedes Mal, wenn ich zu euch gefahren bin, hatte ich ein mulmiges Gefühl. Auch Vorquarantäne und regelmäßige Tests haben wenig geändert. Die Sorge, das Virus zu euch zu tragen, war irgendwie immer da. Seitdem ihr geimpft seid, bin ich viel entspannter. Meine eigene Impfung hat nochmals viel dazu beigetragen.

Was hat die Krise mit dir gemacht?

Die Gefahr durch das Virus ist vielleicht für viele nicht mehr akut und doch sind die Auswirkungen von Corona immer noch zu spüren. Hilfsangebote für pflegebedürftige Menschen sind vielerorts eingeschränkt. Du kannst zwar schon lange wieder in die Tagespflege gehen, aber spürst du den Druck und die Last der Mitarbeitenden? Die Corona-Pandemie hat die Altenpflege an den Rand des Kollapses gebracht, daran ändert auch eine einmalige Prämie nichts.

Und die Last der pflegenden Angehörigen: Merkst du, wie ausgelaugt Papa an manchen Tagen ist? Dass er keine Energie mehr hat, um einen Spaziergang mit dir zu machen? Von außen betrachtet, geht es dir gut und man könnte meinen, dass Corona dir am wenigsten ausgemacht hat. Aber ich habe gemerkt, dass du viel mehr Ruhe brauchst als früher. Du nimmst sie dir auch und schließt oft die Augen, machst immer wieder kleine Schläfchen und wirst sehr schnell müde.

Deine motorischen Probleme haben im vergangen Jahr sehr zugenommen. Das Treppengehen wurde zu einer Herausforderung, die du kaum mehr bewältigen konntest. Wir haben uns nach langen Diskussionen für einen Umbau entschieden. Und doch wird das auf Dauer nicht genügen. Als ich am Wochenende bei dir war, habe ich gemerkt, dass sogar kleinste Schwellen nun ein Hindernis sind. Sind das die Folgen von Corona? Hätte mehr Aufmerksamkeit und Zuwendung diesen Prozess verlangsamen können?

Meine Corona-Müdigkeit und mein Corona-Mut

Ich wünsche mir, dass nun alles wieder leichter wird. Und doch kann ich es noch gar nicht glauben. Diese Corona-Krise fühlt sich an, als sei sie seit 14 Jahren da – und nicht erst seit 14 Monaten. Anfangs hatte ich solche Panik. Als meine Mittlere in Quarantäne musste, im vergangenen März, war ich voller Angst. Auf das Testergebnis mussten wir zehn Tage warten. Diese Zeit verging unendlich langsam.

Ich möchte nicht über das Homeschooling, Homeoffice und all die anderen Aufgaben erzählen. ich bin müde davon. Die Corona-Angst ist schon längst der Corona-Müdigkeit gewichen und diese hat sich wie bei vielen anderen festgesetzt. Ich merke, dass ich ein anderes Tempo leben muss. Und zum allerersten Mal in meinem Leben habe ich das Gefühl, dass ich das wirkich verstehe – und tue. Dass ich gelernt habe, wie wertvoll dieses eine Leben ist, das ich leben darf und dass ich gut auf es aufpassen sollte

Das ist wohl der Hoffnungsschimmer, der mit all diesem Corona einhergeht. Mein Wunsch, dass die Menschen sich durch Corona mehr umeinander kümmern würden und mehr füreinander da sein, würden, war der zu naiv? Pflegekräfte streiken, weil es trotz aller Versprechen von Politikern keine besseren Arbeitsbedingungen gibt. Pflegende Angehörige streiken nicht, weil sie ihre Angehörigen nicht alleine lassen können. Aber Befragungen wie die des ZQP zeigen, dass diese Krise eine große Belastung war und ist.

Liebe Mama, manchmal bin ich sehr, sehr müde. Aber das ist okay, denn es ist sehr anstrengend, zu erleben, dass du dich immer mehr von unserer Welt verabschiedest, diese gesellschaftlichen Herausforderungen und die vielen Aufgaben, die ich mich tagtäglich erwarten. Ich halte mich an den kleinen, schönen Momenten fest – und manchmal suche ich sie. Das sind die kleinen Hoffnungsschimmer, die mir Mut geben.

Und dir?

Deine Peggy

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