Was die Kinder fragen

Kinderfragen zu Alzheimer: Muss auch die Oma wegen Corona eine Maske aufsetzen?

Das Coronavirus hat in unseren Alltag einen festen Platz, Masken inklusive. Mittlerweile gilt in Geschäften und öffentlichen Verkehrsmitteln die Pflicht, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen. Meinen Kindern war ein bisschen unwohl dabei, und es kam die Frage auf, ob die Oma trotz Alzheimer auch eine Maske tragen muss. Oder gelten für Menschen mit Demenz Ausnahme-Regelungen?

Mund-Nasen-Schutz
Klar, ich brauche einen Mund-Nasen-Schutz, aber meine Mama auch?

In diesen verrückten Corona-Tagen telefoniere ich viel mit meinen Eltern. Zum einen, weil ich traurig bin, dass wir uns in dieser unsicheren Zeit nicht sehen und in den Arm nehmen können. Ich möchte etwas Nähe trotz der Entfernung. Aber ich rufe auch so oft an, weil das Coronavirus so ein wichtiges Thema ist und ich verhindern möchte, dass meine Eltern sich anstecken und an Covid-19 erkranken.

Corona: Warum eine Maske wichtig ist

Ich habe vor einiger Zeit schon einen Brief an meine Eltern mit vier chirurgischen Einmalmasken geschickt. Der Mund-Nasen-Schutz war als Back-up gedacht, falls es im Geschäft mal zu voll würde oder meine Eltern erkältet wären, im Vordergrund standen damals die lieben Zeilen. Nun gilt bundesweit die Pflicht, in Geschäften einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen und seitdem dies verkündet wurde, mache ich mir Gedanken darüber.

Meine Kinder beschäftigt dieses Thema auch. Die beiden Großen wollten zuerst wissen, ob die Vierjährige auch eine Maske tragen muss. Als das geklärt war, fragte meine mittlere Tochter: “Braucht die Oma auch eine Maske?” Dann zog sie ihre Augenbrauen leicht hoch, so wie ich das mache, wenn ich große Skepsis zeige und in meinem Kopf nur Fragezeichen tanzen. Der kritische Blick meiner Tochter zeigte das, was ich schon die ganze Zeit denke: ‘Das kann doch nicht klappen. Wie soll Mama das verstehen?’

Die Alzheimer-Erkrankung ist bei meiner Mama so weit fortgeschritten, dass sie nicht versteht, was gerade in Deutschland passiert: Bislang haben sich mehr als 150.000 Menschen mit dem Coronavirus infiziert, viele sind schwer an Covid-19 erkrankt, gut 5600 gestorben (Stand 26.4.2020, aktuelle Zahlen gibt es hier). Eine Impfung gibt es noch nicht, deswegen ist es so wichtig, sich zu schützen. Das Robert-Koch-Institut hat in seinem Epidemiologischen Bulletin den Einsatz von Gesichtsmasken empfohlen, “um die Ausbreitung des Virus in der Bevölkerung durch infizierte Personen, die noch keine Symptome entwickelt haben, zu verhindern.”

Soweit, so klar: Masken sind wichtig, gerade um Menschen mit einer Vorerkrankung oder einem erhöhten Risiko zu schützen. Meine Mama gehört aufgrund ihres Alters zu der Risikogruppe – wie alle Alzheimer-Erkrankte, für sie ist der Schutz vor dem neuen Coronavirus besonders wichtig. Aber funktioniert das Maskentragen auch für Menschen mit Demenz?

Welche Corona-Regeln gelten für Menschen mit Alzheimer?

Ich recherchierte zu den Regeln für den Mund-Nasen-Schutz und stellte fest, dass da in den einzelnen Bundesländern unterschiedliche Regelungen gelten. In der Regel sollen Kinder ab sechs Jahren eine Maske tragen. Bei Verstößen werden auch Strafgelder erhoben.

“Vielleicht gilt für die Oma das gleiche wie für meine kleine Schwester?”, vermutete meine Tochter. “Die Oma versteht das ja nicht mehr.” Alzheimer-Patienten mit kleinen Kindern gleichstellen, mir gefällt es ja immer nicht, wenn das passiert, aber in dem Fall wäre es vielleicht eine gute Lösung?

Würde Mama eine Maske tolerieren?

Denn ich konnte mir nicht vorstellen, dass meine Mama diese Maske tatsächlich trägt oder sich damit wohl fühlt. Aufgrund ihrer Alzheimer-Erkrankung spricht sie fast gar nicht mehr, aber wir merken natürlich an ihrer Mimik, dass etwas unangenehm ist und ihr nicht gefällt. Sie kneift die Augen zusammen, presst die Lippen aufeinander und schaut sehr angestrengt.

Ich hatte große Bedenken, dass Mama das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes als sehr unangenehm empfinden könnte. ‘Das könnten wir ihr doch nicht antun’, dachte ich. Denn schließlich helfen ihr Erklärungen auch nicht. Und: Beim Aufsetzen und Tragen müssen bestimmte Regeln befolgt werden (Hier ein paar Tipps zum richtigen Anwenden). Ob meine Mama das mitmachen würde oder würde sie gar versuchen, sich die Maske abzuziehen?

Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft ist auch der Frage nachgegangen, was passiert, wenn Menschen mit Demenz sich nicht an die Bestimmungen halten – und zum Glück können sie mir da Entwarnung geben. “Wer aufgrund einer Demenzerkrankung nicht einsichtsfähig ist, ist im juristischen Sinne deliktsunfähig. Er kann also auch nicht bestraft werden, wenn er sich nicht an behördliche Anordnungen hält”, lautet die Antwort (Mehr Infos hier von der Deutschen Alzheimer Gesellschaft zum Thema Alzheimer und Corona.)

Und in der Praxis: Mund-Nasen-Schutz für Oma?

Die juristische Seite ist die eine, die praktische die andere. Wenn alle Menschen im Supermarkt mit einem Mund-Nasen-Schutz herumlaufen, möchte man vielleicht nicht so gern der Angehörige sein, der erklären muss, warum seine Begleitperson keinen Schutz trägt und man dann vielleicht erst noch den Schwerbehindertenausweis herauskramen muss.

Da es ja auch nicht zwingend eine Maske sein muss, sondern auch Schals oder Tücher erlaubt sind, hatten wir auch einen Alternativvorschlag: Meine Mama hat sehr viele Tücher und Schals, weil sie die früher immer gerne trug. Und Papa sucht ihr bei jedem Spaziergang, bei jeder Einkaufsfahrt ein schönes Tuch raus und legt es ihr um. “Er kann das Tuch ja einfach höhrer umbinden”, schlug auch meine große Tochter vor. Dann wäre es nicht ganz so fremd für Mama und vielleicht angenehmer?

Entsprechend nervös war ich – und auch meine Töchter, bis wir vom ersten Versuch hörten. Papa hat Mama eine der Stoffmasken umgetan, die ihre liebe Nachbarin für sie genäht hat – und es hat problemlos geklappt. Mama hat die Maske ohne Probleme getragen.

Von daher: Oma muss keinen Mund-Nasen-Schutz tragen, aber wenn es klappt, dann ist das natürlich noch besser. Mit dieser Antwort waren meine Töchter sehr zufrieden. Und ich auch.

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