Demenzfreundlich wohnen

Wohnen mit Alzheimer: 7 Strategien für mehr Orientierung

Vor einiger Zeit haben wir im Haus meiner Eltern umgebaut und umgeräumt. Wir haben so einiges geändert, damit Mama im Haus keine Treppen mehr gehen muss. Damit eine Wohnung demenzfreundlich ist, braucht es aber noch mehr. Ein wichtiger Punkt die Orientierung. Mit welchen Maßnahmen kann man für eine gute Orientierung sorgen? Worauf sollte man achten? Im folgenden Blogbeitrag stelle ich euch sieben Strategien vor

7 Tipps für mehr Orientierung in der Wohnung

Wie kann man eine Wohnung demenzfreundlich einrichten? Darüber habe ich in einem Interview mit Antje Holst vom Kompetenzzentrum Demenz in Schleswig-Holstein gesprochen. Sie hat mir einige Anregungen für den Umbau im Haus meiner Eltern mit auf den Weg gegeben und vor allem hat sie Mut gemacht, Dinge auszuprobieren. „Bei der Wohnraumgestaltung für Menschen mit Demenz ist es wie in vielen Aspekten mit der Demenz: Was für den einen gut ist, ist für für den anderen schlecht. Wichtig ist, dass man ausprobiert und sich traut. Fehler sind völlig okay.“

Beim demenzfreundlichen Einrichten spielt das Thema Orientierung eine wichtige Rolle. Durch die Demenz haben viele Menschen Orientierungsschwierigkeiten, auch in der eigenen Wohnung oder im eigenen Haus. Was können Angehörige tun, damit sich Menschen mit Demenz daheim gut zurechtfinden? Was hilft bei der Orientierung?

Antje Holst betreut die Musterwohnung für Menschen (nicht nur) mit Demenz und weiß, mit welchen Maßnahmen Angehörige für eine gute Orientierung sorgen können. Im Folgenden stelle ich euch sieben Strategien vor

Tipp 1: Die Räume klar strukturieren

Wirken zu viele Reize auf Menschen mit Demenz, kann dies überfordern und die Orientierung erschweren. Hilfreich ist es, wenn die einzelnen Räume klar und eindeutig strukturiert sind, also das Esszimmer auch auf den ersten Blick als Esszimmer erkannt wird, das Schlafzimmer wie ein Schlafzimmer und so weiter. Lieber mit wenigen wichtige Möbeln und Wohngegenständen einrichten als viele Möbel. Wer Reize reduzieren kann, schafft Ordnung im Raum – und erleichtert die Orientierung.

Und was tun, wenn die Wohnung sehr klein ist oder es sich nur um ein Zimmer, etwa im Pflegeheim, handelt? Dann kann man Orientierung bieten, indem man verschiedene Bereiche schafft und diese so gut wie möglich trennt, also einen Schlaf- und einen Wohnbereich gestaltet. In einer neuen Umgebung seien vertraute Möbelstücke oft wertvoll. Sie sorgen für Orientierung und bieten einen Ankerpunkt, weil sie mit Erinnerungen verbunden, so Antje Holst. Deshalb sollte man durchaus überlegen, etwa den alt en Wohnzimmersessel mit in das Heim oder die neue Wohnung zu nehmen, wenn dieser Sessel immer im Wohnzimmer stand. Denn dann kann er auch im neuen Heim eine Orientierungsfunktion übernehmen.

Tipp 2: Schilder an den Türen anbringen

Eine Orientierungshilfe können Schilder an den Türen sein. Aber was funktioniert besser: Text oder Piktogramme? Ich habe immer zu Piktogrammen tendiert, im Haus meiner Eltern haben wir vor allem Beschriftungen verwendet. Was sagt die Expertin? „Gut ist, wenn man zwei Sachen macht: eine optische und eine schriftliche Beschilderung, damit spricht man verschiedene Bereiche im Gehirn an“, sagt Antje Holst.

Piktogramme seien oft gar nicht so einfach zu erkennen. Bei manchen Toiletten-Symbolen müsse man manchmal sehr um die Ecke denken. „Da ist ein Foto von einer Toilette oft klarer, weil es eindeutig ist“, sagt Antje Holst. Häufig funktioniere auch Männeken-Piss-Schild besser als ein abstraktes Symbol. Die Expertin rät dazu, sich daran zu orientieren, was in der Vergangenheit gut funktioniert hat. „Meine Oma hat immer gesagt: Ich gehe nach Herzhausen, wenn sie auf die Toilette musste. Als sie sich in ihrer Wohnung nicht mehr gut orientieren konnte, haben wir an die Tür zur Toilette ein Schild mit einem Herz angebracht und dazu „Herzhausen“ geschrieben. Das hat bei meiner Großmutter super funktioniert, bei anderen hätte es vermutlich nur zur Verwirrung geführt.“

Beschilderungen für die Toilette sind durch verschiedene Art und Weise möglich – Was ist am hilfreichsten für die Orientierung?

Beschilderungen können nicht nur für die Türen sinnvoll sein, sondern auch an den Schränken. Bei meinen Eltern haben wir Beschriftungen an den Türen für Orientierung in der Küche und im Schlafzimmer gesorgt. Eine Möglichkeit sind auch Zeichnungen von Tellern, Tassen, Besteck. Zum ersten Mal davon gehört habe ich in dem Kinderbuch „Lilli und ihre vergessliche Oma“ erfahren hat. Ich erinnere mich, dass meine mittlere Tochter die Idee sofort super fand. Mein Papa hingegen musste sich erst damit anfreunden. „In der eigenen Wohnung Schilder aufzuhängen, ist für die Angehörigen oft eine Überwindung und ein Kompromiss“, gibt Antje Holst zu bedenken. Aber sie sagt auch: „Ohne Veränderung wird man keine Anpassung hinbekommen.

Alternativ kann es helfen, die Türen möglichst offen zu lassen, eventuell sogar auszuhängen. Auch offene Schränke und Regeln bieten oft mehr Orientierung als geschlossene Schränke.

Tipp 3: Für gute Beleuchtung sorgen

Im Dunkeln oder in schummrigen Licht vermindert sich die Orientierungsfähigkeit jedes Menschen. Menschen mit Demenz finden sich dann noch schwerer zurecht. Deshalb ist es wichtig, auf eine gute Helligkeit zu achten. „Wichtig ist es, dass man die dunklen Ecken ausleuchtet, damit da keine Fehlwahrnehmung oder Fehlerkennung entstehen, weil die häufig Angst machen“, erklärt Antje Holst.

Und was heißt nun gutes Licht? „Es braucht eine Kombination aus indirektem und direktem Licht„, sagt die Expertin. Also: Licht von oben, um den Raum auszuleuchten und Licht für dunkle Bereiche und Ecken. „Wir können über unseren Verstand sehr genau die Schattenbilder auf dem Boden wahrnehmen. Aber Menschen mit Demenz fällt das schwer. Die sehen vielleicht schwarze Löcher am Boden oder Gestalten auf dem Boden, die einfach auch wieder Angst machen“, so Antje Holst.

Verschiedene Untersuchungen bestätigen, die große Bedeutung einer guten Beleuchtung: um den Tag-Nacht-Rhythmus zu fördern, Stürzen vorzubeugen und die Stimmung aufzuhellen.

Tipp 4: Ein Nachtlicht anbringen

Nachts kann ein Nachtlicht sinnvoll sein. Das war eine der ersten Veränderungen, die mein Bruder im Haus meiner gemacht hat: Er hat im Flur einen einfachen Bewegungsmelder angebracht, damit meine Mama nicht im Duklen gut den Weg zur Toilette finden musste. Aber auch beim Nachtlicht gilt: ausprobieren. Ein Bewegungsmelder könnte auch dazu führen, dass sich der Mensch mit Demenz erschreckt. Dann ist es vielleicht besser, ein Nachtlicht zu benutzen, zum Beispiel eines zum Stecken für die Steckdose.

Tipp 5: Farben gezielt einsetzen

Farben sind mehr als reine Deko, sie wirken auf unsere Wahrnehmung. Licht und Farbe bilden oft eine Einheit, es lohnt sich aber das Thema Farbe separat zu behandeln. Dunkle Farben und gemusterte Flächen führen bei vielen Menschen mit Demenz zu Unwohlsein und Irritationen. Deshalb raten Experten bei großen Flächen wie der Wand, den Vorhängen oder dem Bodenbelag davon ab. Ideal für Wände, Vorhänge und Möbel sind helle Farben. Sie schaffen ein Wohlgefühl.

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Orange und gelb – diese Farben schaffen ein Wohlgefühl für Menschen mit Demenz

Forscher haben auch herausgefunden, dass bei Menschen mit Demenz die Wellenlängen von gelben und roten Farben noch ins Gehirn gelangen, da sie Wellenlängen aufweisen, die auch das Langzeitgedächtnis erreichen. Deshalb empfinden sie häufig Mischfarben aus Rot und Gelb, wie Orange und ähnliche Abstufungen, als sehr angenehm.

Tipp 6: Auf Kontraste achten

„Kontraste sind allerdings wichtig. Deshalb kann man dunkle Farben gezielt einsetzen“, sagt Antje Holst. So kann es zum Beispiel hilfreich sein, den Lichtschalter oder einen Haltegriff in einer dunkleren Farbe anzubringen, damit er besser erkannt wird. Studien zeigen etwa, dass Menschen mit Demenz von roten und schwarzen Tellern mehr essen als von weißen. Das liegt vor allem an den Kontrasten. Auch wir haben uns das zunutze gemacht: rotes Geschirr und blaue Tassen auf einem weißen Tischtuch erkannte meine Mama viel besser als die geblümten Tassen auf einer karierten Decke. „Wie man Kontraste umsetzt, das ist individuell und da rate ich jedem zum Ausprobieren“, rät die Wohnexpertin.

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Gezielt Kontraste setzen: Das kann man zum Beispiel mit farbigen Haltegriffen im Bad. Foto: Musterwohnung mit Demenz, Demenzkompetenzzentrum Schleswig-Holstein

Die Angst und Unruhe vor dunklen Farben oder starken Mustern kann man auch anders gezielt einsetzen, etwa bei Hin-/Weglauftendenz. Wenn man die Tür mit dunkler Farbe streicht, eine Tapete aufklebt oder dunkle bzw. gemusterte Vorhänge davor hängt, wird die Tür nicht mehr als solche erkannt.

Tipp 7: Eine ruhige Atmosphäre schaffen

Beim Thema Orientierung spielt die Akustik eine Rolle. Menschen mit Demenz können Klänge und Geräusche und deren Quelle oft nicht mehr richtig zuordnen. Deshalb kann es leicht zu Irritiationen führen, wenn etwa nebenbei das Radio läuft oder andere Nebengeräusche vorhanden sind. „Wenn jemand im Wohnzimmer ist und in der Küche läuft das Radio, dann können Menschen mit Demenz das oft nicht mehr zuordnen“, sagt Antje Holst.

Besser für die Orientierung ist es, wenn Klänge und Geräusche gezielt eingesetzt werden und eine klare Zuordnung haben. Ebenso gilt der Grundsatz: „Weniger ist mehr“. Schafft eine ruhige Atmosphäre ohne viele akustische Reize. Teppichböden und Vorhänge können den Lärm dämmen.

Fotos: Elena Mozhvilo/Unsplash; Peggy Elfmann; Croissant/Unsplash

3 Gedanken zu „Wohnen mit Alzheimer: 7 Strategien für mehr Orientierung“

  1. Hallo,
    die Trauer um einen geliebten Menschen ist schlimm. Der Schatz lebt nicht mehr. Für ihn war es eine Erlösung. Ich vermisse ihn so sehr. Ich habe ihn so sehr geliebt. Ich werde ihn nie vergessen. Gut, dass ich in den guten Zeiten so viele Fotos von ihm gemacht habe. So ist er noch immer in meiner Wohnung. Nach so einer grossen Liebe kann nicht so schnell ein neuer Mann kommen. Vielleicht kommt gar keiner mehr. Dann ist es auch gut so.Wenn einer kommt, dann kommt er, wenn nicht, auch nicht schlimm.
    Das Weinen wird weniger. Trauer braucht seine Zeit.

    1. Liebe Beatrix,
      Du wirst ihn immer in deinem Herzen tragen. Wenn man jemanden sehr geliebt hat, ist die Trauer auch sehr groß. Vielleicht hilft dir dieser Gedanke als Impuls, den mir Anja in unserer Podcastfolge zum Abschied mit auf den Weg gegeben hat. 💜

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