Corona

Von Nähe und Abstand – Im Gespräch mit Tobias Plonka über ambulante Pflege in Corona-Zeiten

Nähe. Ein kurzes, aber wichtiges Wort. Für Menschen mit Demenz ist Nähe fundamental. Sowohl in der Betreuung, als auch in der Pflege. Der Altenpfleger und Filmemacher Tobias Plonka hat einen Kurzfilm zu diesem Thema gedreht. In „Nähe“ sprechen pflegende Angehörige und Pflegekräfte darüber, wie sich die Arbeit durch das Coronavirus grundlegend verändert hat. Im Interview habe ich mit Tobias Plonka darüber gesprochen, welche Einschränkungen er in der Pflege erlebt, wie Nähe und Zuwendung in Zeiten von Corona funktionieren und wo pflegende Angehörige Unterstützung finden können

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Menschen mit Demenz und ihre pflegenden Angehörigen stehen in dieser Corona-Krise vor besonders großen Herausforderungen. Viele Unterstützungsangebote und Dienstleistungen fallen weg oder sind deutlich reduziert. Zugleich herrscht eine Skepsis gegenüber den Pflegekräften, denn schließlich gelten die Regeln: „auf Abstand gehen“ und „Kontakte reduzieren“.

Ambulante Pflegeleistungen sind wichtig, um Menschen mit Demenz oder andere Pflegebedürftige zu unterstützen – und vielleicht sogar noch wichtiger geworden, um Angehörige zu entlasten. Tobias Plonka ist Altenpfleger und Filmemacher aus Duisburg. In seinem Film „Nähe“ erzählt er von den Sorgen der Patienten und der Mitarbeiter eines ambulanten Pflegedienstes. Sein Ziel: Aufklären und Informieren. Das gelingt ihm auf eine sehr berührende Art.

Tobias Plonka führt den Video-Blog ambulant bloggt. „Ich möchte vor allem Pflegebedürftigen eine Stimme geben“, sagt er. Für seinen Blog war er für den Queen Silvia Nursing Award nominiert.

„Nähe“ – ein Film über Corona und die ambulante Pflege

Nähe – Ein Film von Tobias Plonka

Interview mit Tobias Plonka

Was waren und sind die Ängste der Menschen, die von einem ambulanten Pflegedienst unterstützt werden?

Die Patienten haben hauptsächlich Angst, sich selbst anzustecken und schwer am Virus zu erkranken.

Gab es Menschen, die auf den Pflegedienst verzichtet haben oder ihn seltener in Anspruch genommen haben – und warum?

Vor allem die Betreuungsleistungen wurden am Anfang der Pandemie häufig aufgrund von Ängsten abgesagt. Dieses Angebot wird mittlerweile aber wieder häufiger in Anspruch genommen, weil die Angst zum einen etwas verflogen ist, aber auch weil die Patienten sehr unter der sozialen Isolation leiden und durch die Betreuung wieder etwas mehr Input bekommen.

Haben die Pflegekräfte auch Angst vor einer Infektion?

Es ist nach wie vor sehr geteilt. Es wurden besonders am Anfang viele Gespräche im Team geführt, weil es doch viele Ängste gab bei den Mitarbeitern. Dazu kam dann noch der Mangel an Schutzkleidung.

Was waren bzw. sind die größten Einschränkungen?

Eine große Einschränkung ist nach wie vor, dass wir in unserem Haus keinen Betreuungsnachmittag stattfinden lassen können. Das war für unsere Patienten jeden Monat ein absolutes Highlight. Darüber hinaus ist das halb vermummte Gesicht der Mitarbeiter und der Mangel an Nähe natürlich besonders bei der Arbeit mit demenziell veränderten Menschen problematisch.

Nähe ist ja sehr wichtig für viele Pflegebedürftige, gerade auch für Menschen mit Demenz. Sie brauchen Zuwendung und Berührung. Wie funktioniert das aktuell?

Alle körpernahen Tätigkeiten werden im Moment leider sehr reduziert auf das wesentliche durchgeführt. Das tut besonders den Menschen mit kognitiven Einschränkungen nicht gut. Auf der anderen Seite steht die Angst, dass man bei zu viel Nähe einen Patienten anstecken könnte, auch wenn wir jetzt zwei mal in der Woche getestet werden.

Wie hat sich deine Arbeit/Einstellung verändert?

Meine Lockerheit ist in letzter Zeit etwas verloren gegangen. Ich habe im Moment einfach Angst davor, durch eine kleine Nachlässigkeit meine Patienten zu gefährden. Ich versuche auf der anderen Seite durch gute Aufklärung die Patienten zu beruhigen und Ängste zu reduzieren.

Sind die Ängste und Sorgen jetzt immer noch so groß wie im ersten Lockdown?

Die Ängste bei den Patienten haben sich allgemein reduziert. Allerdings sind durch einige Corona-Fälle bei den Patienten auch neue Sorgen und Ängste entstanden. Es ist im Moment eine sehr dynamische Zeit und gerade deshalb finde ich eine gute Ansprache und Aufklärung so wichtig.

Ohne Hilfe von anderen geht es nicht, das merke ich an meinen Eltern. Wir haben lange gezögert, Hilfe von außen zu holen, auch weil mit jedem Menschen mehr im Haus das Risiko steigt, sich anzustecken. Was rätst du all den Menschen, die Hilfe bräuchten, aber unsicher sind?

Meine Oma ist Mitte letzten Jahres mit einer fortgeschrittenen Demenz Zuhause gestorben und wurde, trotz großem Hilfebedarf, komplett von ihren Kindern betreut und versorgt. Ich glaube, es war rückblickend das größte Geschenk, was man ihr machen konnte, allerdings verknüpft mit dem Kompromiss der eigenen Aufopferung. Diese Art der Aufopferung führte natürlich auch in diesem Fall zu größerer Belastung ihrer Kinder. Ich habe oftmals versucht anzuregen, dass zumindest ein ambulanter Pflegedienst diverse Tätigkeiten übernehmen könnte, allerdings ohne Erfolg.

Was ist dein Rat an pflegende Angehörige?

Ich würde jedem pflegenden Angehörigen raten, die kostenlosen Angebote, wie zum Beispiel einer Pflegeberatung zu nutzen, um überhaupt erst einmal einem Überblick über die Möglichkeiten an Hilfestellung zu bekommen. Eine Hemmschwelle ist aus meiner Erfahrung auch, dass viele Menschen einfach keine fremden Personen in ihrem Haus haben möchten und die Hilfe aufgrund dessen erst sehr spät in Anspruch nehmen oder sich einfach schämen auf Hilfe angewiesen zu sein.

In deinem Film sagt der Pflegedienstleiter: „Wir müssen verantwortungsvoll umgehen“. Was heißt das für die Mitarbeiter? Worauf achtet ihr?

Hygiene und Abstand ist für uns alle das Gebot der Stunde. Im Betrieb achten wir auf die AHA+L Regeln und gehen sehr gewissenhaft, besonders bei der körpernahen Versorgung am Patienten vor. Außerdem werden wir jetzt zwei Mal in der Woche intern getestet.

Viele sagen ja, man könne aus der Corona-Krise auch lernen. Gibt es für dich ein Learning für die Altenpflege?

Ich habe besonders in dieser undurchsichtigen Zeit festgestellt, dass eine solche Ausnahmesituation nur von einem gut funktionieren Team bewältigt werden kann. Vor allem den interdisziplinären Zusammenhalt konnte man in der ersten Welle spüren. Das habe ich als sehr positiv empfunden.

4 Gedanken zu „Von Nähe und Abstand – Im Gespräch mit Tobias Plonka über ambulante Pflege in Corona-Zeiten“

  1. Mein Blog handelt ebenfalls von Demenz-Erkrankung, genauer, von der Alzheimer-Krankheit meines Mannes. Er handelt von Veränderung, von Verzweiflung und Hader, aber auch von Nähe und dem Erkennen, dass die Krise, in die wir gestürzt wurden, uns auf einen Weg gebracht hat, den wir als wahr empfinden.
    Das klingt jetzt vielleicht verrückt, vor allem im Hinblick auf den Erkrankten selbst. Was soll ihm diese Krankheit noch bringen, da er ja ’seinen Verstand verliert‘? – Aber die Erfahrung und vor allem unsere Gespräche zeigen, dass er etwas gefunden hat, das über den Verstand hinausgeht, und das mehr ist, als das, was sein Selbst vor der Krankheit war. Falls Sie Interesse und Lust haben: meine Seite heisst fragenzumleben.com
    Mit herzlichen Grüssen
    I. Fonés

  2. Vielen Dank für den tollen Beitrag. Ich kann mir gut vorstellen, das Ihre Lockerheit in letzter Zeit, durch die Corona Pandemie, etwas verloren gegangen ist. Toll, dass Sie trotzdem versuchen durch gute Aufklärung die Patienten zu beruhigen und Ängste zu reduzieren. Ich denke, es ist wichtig, das gerade in solchen Pflegebereichen best möglichst weitergearbeitet wird. Auch ich suche gerade für meine Mutter einen erfahrenen ambulanten Pflegedienst in Selm bei Lünen und bin mir sicher, dass man sich dort trotz des Virus bestens um sie kümmern kann.

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