"Liebe Mama..."

Liebe Mama, wann werden wir uns wiedersehen?

Es ist gerade mal zehn Tage her, da haben wir uns gesehen, zusammen Kuchen gegessen, gelacht und Musik gehört. Ich habe Pläne für die Ferien gemacht, ich wollte dich und Papa mit den Kindern besuchen. Dass sie mal wieder viel Zeit mit euch verbringen können. Und wir euch unterstützen können. Und jetzt? Die Corona-Krise. Und ich habe Angst. Angst um dich, um die Kinder, um mich und frage mich: Wann werden wir uns wiedersehen? Und wie kann ich euch helfen?

Mama und ich

Liebe Mama,

wann werden wir uns wiedersehen?

Ich bin ja fast immer in der Ferne. Ich versuche, dich so oft wie möglich zu besuchen, aber neben Job und Kindern passiert dies viel seltener, als ich es mir wünsche. Im Alltag bin ich fast 400 Kilometer entfernt und kann dir nun mal nicht bei den kleinen und großen Dingen helfen. Papa ist an deiner Seite und kümmert sich liebevoll um dich. Ich versuche, euch regelmäßig zu besuchen, mal alleine, mal mit den Kindern. Spätestens nach vier Wochen, das ist mein Plan. Und so oft wie möglich in den Schulferien. Meinen Besuch mit den Kindern hatte ich fest eingeplant, und mich sehr darauf gefreut.

Und nun das: Die Corona-Krise. Sie wirbelt meinen Alltag gehörig durcheinander, macht mir Angst und setzt neue Prioritäten. Anfangs dachte ich – wie so viele – dass wir in Deutschland kaum betroffen sein werden. Vor zwei Wochen änderte sich das langsam. Bei der Preisverleihung in Berlin ging ich zwischendrin sehr oft Hände waschen und desinfizieren. Mittlerweile sind alle Veranstaltungen abgesagt, ich würde auch zu keiner mehr gehen wollen. Ich möchte eigentlich gar nicht mehr aus dem Haus gehen. Instinktiv denke und fühle ich aber auch: Ich muss zu dir und Papa. Ihr braucht mich.

Die Großeltern nicht besuchen – aus Schutz

Aber nun das: Alle Experten raten, dass man die Großeltern vorerst nicht besuchen sollte. Generell sollte man auf soziale Kontakte verzichten. Aber besonders der Kontakt zu älteren Menschen solle vermieden werden.

Als ich das zum ersten Mal hörte, dachte: ‚Was? Kann ich jetzt gar nicht mehr zu euch? Und wie lange?‘ Keiner kann vorhersagen, wie lange die aktuelle Situation anhält. Schulen und Kindergärten sind bis Mitte April geschlossen. Ist das der Zeitraum, von dem wir sprechen, oder ist der länger? Der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sprach davon, dass die Corona-Epidemie Monate dauern wird. Werden wir uns Monate lang nicht sehen?

Diese Vorstellung macht mich traurig, wütend und hilflos. Denn Briefe schreiben oder telefonieren sind nun mal keine Option. Mit dir kommunizieren heißt vor allem mit dem Körper sprechen: dich anlächeln, dich streicheln, dich in den Arm nehmen, denn du sprichst nicht mehr. Und Papa kann ich auch mit konkreten praktischen Dingen am besten helfen.

So schwer es mir fällt: Es ist wichtig, dass wir auf Abstand gehen und sich jeder zu Hause ein einigelt. Denn es geht darum, Menschen zu schützen. Uns alle zu schützen. Das Virus könne man nicht mehr stoppen, wohl aber die Geschwindigkeit, mit der es sich ausbreitet, heißt es. Und vor allem müssen wir alle dafür sorgen, dass nicht zu viele Menschen gleichzeitig krank sind und manche nicht mehr behandelt werden können. Bekannt ist, dass ältere Personen und Personen mit Vorerkrankungen ein höheres Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf tragen, informiert das Robert-Koch-Institut.

Alzheimer und Corona: Was kann ich tun?

Nicht zu wissen, wann wir uns sehen, macht mich immer noch traurig. Ich fühle mich hilflos, weil ich euch doch gerne helfen würde. Denn schließlich solltet ihr jetzt auch nicht einkaufen gehen. Und deine Tagespflege hat auch geschlossen und Papa hat keine Unterstützung im 24-Stunden-Betreuungsmodus. Ich bin mir sicher, es würde euch guttun, wenn ich da wäre. Es wäre für dich schön und für Papa wäre es eine Unterstützung.

Aber dann wiederum: Ich könnte das Virus zu euch bringen. Ich bin noch vor zwei Wochen sehr vielen Menschen begegnet, bin mit dem Zug gefahren, die Kinder waren in der Schule… zahllose Kontakte und wer weiß, ob einer von denen das Coronavirus in sich trug? Und das letzte, was ich möchte, ist, dass ich Schuld daran bin, dass du oder Papa krank werdet. Ich bin echt traurig, weil ich nicht weiß, wann wir uns wiedersehen – aber momentan ist es wichtig, um dich zu schützen.

Drei Dinge haben mir bislang geholfen:

  1. Ich habe geweint. Ich habe meine Gefühle nicht unterdrückt, sondern sie einfach mal rausgelassen. So ein Mist und so eine Gemeinheit, ich habe das Universum verwünscht.
  2. Eine liebe Freundin hat gesagt: „Jetzt mach dich locker und kümmere dich um deine Kinder.“ Da habe ich gemerkt: Heulen und Schimpfen ist das eine, aber es hilft mir nicht und dir auch nicht. Und ja, nun kommt es darauf an, die Kinder gut durch die Zeit zu bringen. Und dich gut durch die Zeit zu bringen und überlegen, was ich tun kann.
  3. Ich habe mit drei wunderbaren Frauen gesprochen, die sich beruflich mit der Demenzberatung und -begleitung sehr gut auskennen. Und sie haben mir Tipps gegeben und Ideen, wie ich trotzdem für dich und Papa da sein kann.

Liebe Mama, die Situation ist immer noch total blöd und macht mir Angst. Aber ich glaube, dass wir es schaffen – und ich freue mich schon jetzt, wenn wir uns wiedersehen. Bis dahin werde ich ein paar Dinge ausprobieren – und ich hoffe, du magst sie. Damit ich ein wenig bei euch bin, auch wenn ich eigentlich in der Ferne bin. Gleich morgen werde ich mich daran machen. Ich freu mich darauf.

Deine Peggy

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