Besser kommunizieren, Wie ich helfen kann

Kommunikation bei Alzheimer: Teil 1 „Richtig fragen“

Die Kommunikation im Alltag ist oft herausfordernd und bringt mich an meine Grenzen. Seitdem bei meiner Mama die Alzheimer-Krankheit fortschreitet, hat sie andere Bedürfnisse, auch im Bereich der Kommunikation. Im Angehörigen-Seminar habe ich viel darüber erfahren. Rückblickend sehe ich etliche Fehler, die ich gemacht habe und die mir sehr leid tun. Ich ärgere mich, dass ich manches mal blind für ihre Bedürfnisse und nicht gemerkt habe, dass ich viel zu viel und falsch frage. Das Fragen ist gut gemeint, aber es hilft Mama häufig nicht. Hier teile ich meine Erfahrungen zum Thema „Fragen“ mit euch.

Chaos im Kopf – und dann auf Warum-Fragen antworten sollen?
Setzt Mama nur unter Druck und stresst sie

Gedankenspiel: Ich höre eine Frage, aber verstehe nicht

Wie ist das, wenn man etwas gefragt wird und kein Wort versteht? Mal angenommen: Ein lieber Freund nimmt mich mit nach Indien. Es wirkt ganz nett dort, aber die Umgebung ist mir fremd. Und plötzlich spricht dieser Freund nur noch Tamil oder Hindi mit mir, so wie alle anderen dort. Er fragt mich etwas in seiner Sprache, ich ahne an der Sprachmelodie, dass es eine Frage ist, aber ich verstehe kein Wort. Er redet ganz schnell, in meinem Kopf ist Chaos.

Was mache ich? Ich fühle mich doof, mein Herz fängt an zu rasen, ich schäme mich oder lächle hilflos – egal was, ich kann keine Antwort geben, weil ich ja nicht mal die Frage verstehe. Vielleicht fragt der Freund mich noch einmal. Er sagt den Satz dann langsamer. Ich schaue ihn hilflos an, denn in meinem Kopf ist nur wildes Gekrakel und kein klares Bild. Dann sagt er nur ein Wort, sehr deutlich und lächelt mich an. Er meint es ja auch gut. Dann sagt er ein anderes Wort und noch eines. Er nickt mir zu, aber ich verstehe ihn immer noch nicht. Was tun? Vermutlich nicke ich irgendwann, weil ich hoffe, dass diese Fragerei einfach aufhört.

Aber ein paar Stunden später geht es wieder so. Ich bin in einer fremden Welt gelandet und kann nicht kommunizieren. Ich weiß nicht, was die anderen sagen – und dann erwarten sie auch noch eine Antwort von mir. Das ist keine schöne Vorstellung! Schon allein jetzt bei diesem Gedankenexperiment, fühle ich mich unwohl.

Entscheidungen treffen oder nicht?

Und doch habe ich mit meiner Mama so manches Mal so gesprochen und sie um Antworten gebeten. Auch heute noch passiert es häufiger. Und zwar sogar aus gut gemeinten und lieben Motiven. Papa fragt meine Mama ziemlich viel. Das fängt beim Anziehen morgens an und geht bis zum belegten Brötchen beim Abendessen. „Ich möchte, dass sie sich entscheiden darf“ und „Ich will ihr nichts vorschreiben“ erklärt er mir. Und ja, ich kann ihn ja auch verstehen. Er möchte seine liebe, schlaue, selbstbewusste, fröhliche Frau zurück, so wie ich meine liebe, schlaue, selbstbewusste, fröhliche Mama wieder haben möchte.

Aber Mama verbringt ziemlich viel Zeit in ihrer Anders-Welt. Sie geht durch das Haus, dreht ihre Runden um den Esstisch, läuft auf und ab, manchmal mit einem starren Blick, manchmal mit einem entspannten Lächeln. In ihrem Kopf ist Chaos, so stelle ich mir das vor. Sie kann deshalb längst nicht mehr klaren Gedanken denken und sie uns mitteilen. Ich glaube, sie versteht oft gar nicht, was wir eigentlich sprechen.

Warum-Fragen überfordern

Eine Frage, auch wenn sie lieb gemeint ist, bringt den Betroffenen in eine unangenehme Situation. Er nimmt wahr, dass er gemeint ist, aber weiß nicht, was er tun oder sagen soll. Manche macht das unsicher und ängstlich, andere frustriert es und führt zu Wut und Aggression“, erklärt Iris Gorke von der Beratungsstelle Demenz der Alzheimer Gesellschaft München.

Vor allem Warum-Fragen seien schwierig, weil sie logische und rationale Antworten erwarten – und die können Alzheimer-Patienten nicht mehr geben. Auf eine Frage zu antworten ist eine ziemlich große Herausforderung: man muss sich erinnern und für Dinge entscheiden können – und das kann meine Mama schon lange nicht mehr.

Zu viele Möglichkeiten überfordern bei Demenz

Warum-Fragen stellen wir nicht mehr so viele, auch, weil Mama kaum noch spricht. Aber vor Entscheidungs-Fragen stellen wir sie häufig. „Möchtest du dieses T-Shirt anziehen oder das da?“ oder beim Frühstück: „Möchtest du Käse oder Marmelade?“ – so sähen gute Entscheidungsfragen aus, meint Iris Gorke. Aber leider passiert es im Alltag doch häufig, dass wir dann noch andere Optionen nachschieben. Beim Anziehen fällt uns dann ein, dass eine Bluse vielleicht auch schön wäre – oder doch ein Kleid? Und am Frühstückstisch bieten wir dann auch noch Wurst und Frischkäse an und legen ihr noch ein Stück Küchen auf den Teller.

Zu viele Möglichkeiten verwirren, das habe ich im Seminar gelernt und ich merke es an Mama, die dann gar nicht mehr weiß, was sie sagen soll, wenn man immer etwas anderes fragt. Eine gewisse Vorauswahl bei der Kleidung oder beim Essen ist also angesagt und dann eine überschaubare Auswahl. „Das ist keine Bevormundung, damit helfen Sie Ihrem Angehörigen“, hat die Sozialpädagogin erklärt.

Es ist so ähnlich wie mit meiner kleinen Tochter. Sie kann sich auch schwer entscheiden – und ich habe gemerkt, dass es nicht hilft, ihr immer mehr anzubieten. Sie weiß dann irgendwann gar nicht mehr, was sie möchte. Deshalb wähle ich auch meist zwei Hosen aus und lasse sie wählen (funktioniert aber leider auch nicht immer :-)).

Eine Lösung finden: durch Ruhe und eine Vorauswahl

Auf keinen Fall möchte ich meine Mama mit meiner Tochter gleichstellen, aber durch mein Kind sehe ich klarer, was Mama helfen kann. Und das ist nicht dauerndes Fragen, auch wenn es lieb gemeint ist, sondern: Mama bleibt ruhiger, wenn ich eine Vorauswahl treffe und lasse sie zwischen zwei Möglichkeiten wählen, ganz in Ruhe.

Manchmal, ganz ehrlich, frage ich auch gar nicht. Ich suche einfach eine Hose raus. Und das machen die Angehörigen im Alltag ja viele Hundert Mal. Aussuchen, ob der andere Hose oder Kleid trägt, die passenden Schuhe bereitstellen und die zum Wetter passende Jacke anziehen. Während meine Tochter sich auch mal fürchterlich aufregen kann, wenn ich jetzt die lila statt der weißen Mickey-Maus-Hose aus dem Schrank geholt habe, ist meine Mama immer zufrieden. Ich erzähle ihr, was ich ihr jetzt Schönes anziehe und sie lächelt mich an. Gar nicht fragen geht also auch.

Aber trotzdem finde ich es wichtig, dass wir sie immer mit einbeziehen und doch hin und wieder wählen lassen, wenn sie das möchte. Am wichtigsten aber ist, dass wir aufmerksam sind. Meine Mama kann vielleicht nicht mehr gut entscheiden, aber sie kann deutlich zeigen, wenn ihr etwas schmeckt oder eben nicht. Wenn sie ihr Gesicht verzieht, weil das Fleisch so zäh zu kauen ist, dann merke ich, dass sie das nicht mag. Wenn sie noch mal zu dem Glas greift und trinkt, obwohl es doch sonst eher schwierig mit dem Trinken ist, dann merke ich, dass ihr die Saftschorle gut schmeckt. Solche Gesten und Mimiken sagen mehr als jede Antwort auf Fragen, weshalb auch die Körpersprache eine immer wichtigere Rolle spielt. Und das kann meine Mama trotz der Alzheimer-Krankheit sehr gut.

Foto: Markus Spiske on Unsplash

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