Prävention

Demenz vorbeugen – Geht das? Und falls ja, wie?

„Hast du Angst, dass du auch Alzheimer bekommst?“ Diese Frage habe ich in den vergangenen Wochen ein paar Mal gehört – und sie beschäftigt mich sehr. Nein, ich habe keine Angst, dass ich jetzt Alzheimer bekomme. Und doch denke ich darüber nach, dass ich diese Krankheit bekommen könnte, so wie meine Mama. Demenz vorbeugen – geht das? Und falls ja, wie? Worauf kommt es an? Meine Fragen haben mich zu Prof. Dr. Wolfgang Hoffmann vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen geführt – und er hat mir erklärt, wie ich mein Demenz-Risiko und das meiner Kinder minimieren kann.

Demenz vorbeugen – mit einer gesunden Ernährung?!

Demenz vorbeugen – geht das überhaupt?

„Hast du Angst, dass du auch Alzheimer bekommst?“, diese Frage wurde mir ein paar Tage nach der Diagnose meiner Mama zum ersten Mal gestellt – und seitdem immer mal wieder. Eigentlich habe ich keine Angst, denn ich bin noch relativ jung, viel zu jung für eine Demenz. Denn das Risiko zu erkranken, nimmt mit dem Alter zu. Das zeigen die Statistiken: bei den 65- bis 69-Jährigen sind gerade mal ein Prozent betroffen, bei den ab 90-Jährigen 40 Prozent.

Und doch beschäftigt mich das Thema. Nicht, weil ich akut davon betroffen bin, aber weil ich doch oft in meinem Kopf mit dem Gedanken ‚Und wenn ich auch Alzheimer bekomme?‘ spiele. Es ist kein schönes Spiel, denn der Gedanke macht mir etwas Angst. Ich sehe zwar an meiner Mama, dass man auch mit Alzheimer noch viele schöne Jahre haben kann und lachen kann und sich wohlfühlen kann und das Leben einfach schön ist, aber ich kenne natürlich auch die Herausforderungen – und wenn möglich, würde ich doch gerne vermeiden, an einer Demenz zu erkranken.

Aber wie geht das? Wie kann ich einer Demenz vorbeugen? Geht das überhaupt? Denn immerhin forschen Wissenschaftler schon seit Jahrzehnten über die Alzheimer-Krankheit und können immer noch nicht genau erklären, was die Ursache dieser Erkrankung ist. Das Medikament gegen die Demenz gibt es nicht und auch kein Nahrungsmittel vermag eine Demenz aufzuheilen oder lindern (auch wenn dies immer wieder suggeriert wird und Betroffenen und ihren Familien Hoffnungslügen erzählt werden). Es gibt es eine Reihe an Antidementiva, aber sie können nur die Symtome lindern, nicht aber die Krankheit heilen.

Lassen sich dann überhaupt Aussagen zur Prävention machen? Die medizinische Leitlinie (S3-Leitlinie „Demenzen“) macht dazu eher spärliche Angaben. „Die Untersuchungen, die bisher publiziert wurden, lassen noch keine Präventionsempfehlungen zu„, schreiben die Autoren. Seit der letzten Aktualisierung im Jahr 2016 hat sich allerdings einiges getan, unter anderem wurden eine Reihe an Studien gemacht und angestoßen, die sich genau mit der Frage beschäftigen, wie die Entstehung einer Demenzerkrankung verzögert oder gar verhindert werden kann.

Immer mehr Menschen erkranken an einer Demenz

Professor Wolfgang Hoffmann vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen ist einer derjenigen Forscher, der sich damit intensiv beschäftigt. „Demenz betrifft die gesamte Gesellschaft und wir müssen etwas tun“, betont Wolfgang Hoffmann im Gespräch. Damit spricht er die aktuelle Entwicklung an, dass die Zahl der Menschen mit Demenz ständig zunimmt.

DZNE Wolfgang Hoffmann
Prof. Dr. Wolfgang Hoffmann forscht am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen. Foto: DZNE/Benjamin Westhoff

Nach unterschiedlichen Berechnungen werden im Jahr 2050 etwa 2,4 bis 2,8 Millionen Menschen an einer Demenz leiden. 2050 klingt vielleicht nach Utopie, aber so weit weg ist das gar nicht mehr und ich könnte mit meinen dann 71 Jahren eine von den Erkrankten sein.

Aus der Forschung: Die AgeWell-Studie

Wie also vorbeugen? Das versucht die AgeWell-Studie herauszufinden, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert wird. An sechs verschiedenen Standorten begleiten Wissenschaftler ältere HausarztpatientInnen mit einem erhöhten Demenzrisiko. Insgesamt nehmen mehr als 1100 PatientInnen teil. Sie wurden zufällig einer Interventions- (IG) und einer Kontrollgruppe (KG) zugeordnet. Die IG-Teilnehmer erhalten über einen Zeitraum von zwei Jahren ein Programm bestehend aus verschiedenen Bereichen. Dazu gehören etwa ein Bewegungsprogramm, Gedächtnistraining, Ernährungsberatung, Beratung zur Medikation und weiteren Interventionen (z.B. Begleitung bei Trauer, Beratung zu Depression).

Das Vorbild ist die finnische FINGER-Studie. Sie gilt als Pionier-Studie und hat gezeigt, dass es möglich ist, die Symptome einer Demenz hinauszuzögern. „Wichtig dabei war der Ansatz über verschiedene Bereiche des Lebens“, erklärt Wolfgang Hoffmann. Die FINGER-Studie wird weltweit in verschiedenen Ländern durchgeführt, um detailliertere Aussagen machen zu können. Für Deutschland soll dies nun die AgeWell-Studie überprüft werden. Die Teilnehmer der Studie werden nach zwei, fünf, sieben und zehn Jahren untersucht. Die Forscher erwarten, dass durch das Programm positive Effekte auf die geistige Leistungsfähigkeit der PatientInnen erzielt werden kann..

Einer Demenz vorbeugen mit Anfang 40?

An den genannten Studien nahmen und nehmen ältere Menschen teil. Was bedeutet das für mich und mein Demenzrisiko? Es wirkt, als müsste ich mir noch keine Gedanken darum machen. Denke ich, während ich über die AgeWell-Studie recherchiere. Aber das stimmt leider nicht.„In Ihrem Alter, da beginnen die ersten Veränderungen im Gehirn“, sagt mir Wolfgang Hoffmann und raubt mir meine Illusion, Demenz sei nur eine Sache von älteren Menschen. „Die Entwicklung einer Demenz ist ein Prozess und er beginnt im frühen Erwachsenenalter“, sagt der Wissenschaftler.

Wolfgang Hoffmann hat sogar schon die deutlich Jüngeren im Blick: Kita-Kinder. „Prävention fängt im jungen Alter an“, sagt der Greifswalder Forscher. Diverse Untersuchungen haben gezeigt, wie wichtig es ist, dass Kinder Gesundheitskompetenz lernen. Schädliche Verhaltensweisen wie Rauchen oder übermäßiger Alkoholkonsum sollen so vermieden werden – und damit Krankheiten vorgebeut werden. Etwa einer Demenz.

Demenz: Nur ein Schicksal?

Bekannt ist, dass Rauchen das Risiko für eine Alzheimer-Demenz sowie eine vaskuläre Demenz erhöht. Der Grund: Durch starkes Rauchen werden die Blutgefäße verstopft und der Stoffwechsel im Gehirn geschädigt. Dabei haben Forscher auch Langzeiteffekte festgestellt. Auch durch übermäßigen Alkoholkonsum ist das Risiko für eine Demenz erhöht. Bewegung spielt ebenfalls eine große Rolle, wie auch soziale Interaktionen.

Als meine Mama damals die Diagnose Alzheimer-Demenz erhielt, konnte ich das nicht fassen. Denn meine Mama hatte immer gesund gelebt: Sie hatte nie geraucht, wenig Alkohol getrunken, sich gesund ernährt, viel Sport gemacht, hatte ein reges Sozialleben und war geistig immer fit gewesen. Demenz schien für mich wie etwas, das das Schicksal über einen bringt. Aber im Gespräch mit dem Forscher Wolfgang Hoffmann ist mir klar geworden, dass die Demenz zwar ein Schicksal ist, aber dass ich mit bestimmten Faktoren die Wahrscheinlichkeit daran zu erkranken, definitiv erhöhe.

Ich kann also sehr wohl etwas tun, um einer Demenz vorzubeugen. Und: Ich kann sogar dafür sorgen, dass sich das Risiko meiner Töchter minimiert – und zwar indem ich ihnen ein gutes Vorbild bin und bestimmte Gesundheitsweisen vorlebe.

12 Risikofaktoren für eine Demenz

Welche Faktoren können dazu beitragen einer Demenz vorzubeugen? Es sind eine Vielzahl und das genaue Wechselspiel ist nicht erforscht. Bislang wurde in den meisten Studien jeweils ein Risikofaktor untersucht, die AgeWell-Studie möchte nun ein Zusammenspiel verschiedener Lebensstilfaktoren untersuchen. Das Ziel: eine bessere Demenzprävention.

Bislang bekannt sind folgende Faktoren, die das Demenzrisiko erhöhen (Dementia Prevention 2020, Livingston, Lancet ):

  • geringe Bildung
  • Schwerhörigkeit
  • erhöhter Alkoholkonsum
  • erhöhter Bluthochdruck
  • starkes Übergewicht
  • Kopfverletzungen wie Schädel-Hirn-Trauma
  • starkes Rauchen
  • wenig Sport und Bewegung
  • Diabetes
  • Depression
  • soziale Isolation
  • Luftschadstoffe
Risikofaktoren_Demenz_Livingston
Quelle: Livingston, Dementia Prevention, Lancet

Laut Gill Livingston können diese zwölf Risikofaktoren bis zu 40 Prozent aller Demenzerkrankungen verhindern. Die Forscherin schreibt: „Förderung wie auch Minimierung einer Demenz beginnen früh und dauern das ganze Leben an. Es ist also nie zu früh oder zu spät“ für Prävention.

Einer Demenz vorbeugen ist bis zu einem gewissen Grad also durchaus möglich. Natürlich haben wir nicht alle Faktoren in der Hand, aber einige eben doch. Wir können zum Beispiel auf eine gesunde Ernährung achten, uns regelmäßig bewegen und Freundschaften pflegen. Wir sollten dieses Wissen nutzen und uns um unsere Gesundheit und die unseres Nachwuchses kümmern. Denn Prävention fängt schon in der Kindheit an, auch für Demenz.

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